Seit über 20 Jahren engagiert sich Dr. Monika Hauser, Gründerin von medica mondiale, für Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt und für die Rechte von Frauen und Mädchen.
Für ihren Einsatz erhält sie immer wieder Auszeichnungen, darunter 2008 den „Right Livelihood Award“, besser bekannt als „Alternativer Nobelpreis“. Geld für die langfristige Arbeit der Organisation sammelt der Stiftungsfonds medica mondiale unter dem Dach der GLS Treuhand. Anfang März berichtete Monika Hauser in der GLS Bank in Bochum über die Arbeit der Kölner Frauenrechtsorganisation medica mondiale. Wir nutzten die Gelegenheit für ein Interview.
Seit über 20 Jahren ist medica mondiale aktiv. Hat sich der Schwerpunkt der Arbeit geändert?
In den ersten zehn bis 15 Jahren haben wir gemeinsam mit Fachfrauen in Bosnien, im Kosovo, in Albanien, in Afghanistan und in Liberia eigene Projekte für Überlebende sexualisierter Gewalt aufgebaut. Mittlerweile arbeiten wir verstärkt mit schon bestehenden Frauenrechtsorganisationen zusammen, zum Beispiel in Ruanda und in der DR Kongo, und konzentrieren uns darauf, unser Wissen weiterzugeben.
Hat sich das gesellschaftliche Umfeld verändert? Ist das Bewusstsein über sexualisierte Gewalt in Kriegssituationen gewachsen?
Wir sind noch weit davon entfernt, dass Frauen und Mädchen schnelle und adäquate Unterstützung erfahren. Um das zu erreichen, schulen wir verstärkt einheimisches medizinisches und psychologisches Personal sowie die lokale Polizei in unserem trauma-sensiblen Ansatz. Außerdem etablieren wir mit Partnerinnen vor Ort Netzwerke und stärken lokale Kompetenzen. Genauso wichtig ist es, politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger weltweit davon zu überzeugen, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um sexualisierte Kriegsgewalt und die nach wie vor weit verbreitete Straflosigkeit zu bekämpfen. Hier vermissen wir politischen Willen – in Kabul, Kinshasa wie auch in Berlin.
Ihre Arbeit hat in Europa angefangen. Wie ist hier heute die Lage?
Gerade haben wir eine Studie in Bosnien-Herzegowina abgeschlossen, in der wir ehemalige Klientinnen unserer Partnerorganisation Medica Zenicia befragt haben, wie es ihnen 20 Jahre nach den Kriegsvergewaltigungen geht. 75 Prozent berichten von Schlafstörungen, mehr als die Hälfte leidet unter Posttraumatischen Belastungsstörungen und über ein Viertel der Frauen hat nach wie vor gravierende gynäkologische Probleme. Das zeigt: Überlebende sexualisierter Gewalt benötigen langfristige psychosoziale, medizinische und ökonomische Unterstützung sowie kontinuierliche Beratung und Therapie. Das gilt europaweit. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte EU-Studie zeigt, dass sexualisierte Gewalt auch in den 28 Mitgliedsstaaten an der Tagesordnung ist: Eine von drei Frauen hat seit ihrem 15. Lebensjahr Gewalt erfahren. Hier wünsche ich mir klare politische Vorgaben und entsprechende Mittel für Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen.
Welches aktuelle Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen?
All unsere Projekte sind mir sehr wichtig, aber Bosnien-Herzegowina, wo die Arbeit von medica mondiale begann, liegt mir ganz besonders am Herzen. Im Moment beschäftigt uns die verheerende Situation von Frauen und Mädchen in der Krisenregion Syrien/Nordirak. Sie sind auf der Flucht und in Notunterkünften massiv von sexualisierter Gewalt betroffen. Wir planen Trainings im Nordirak, um Ärztinnen und Ärzten unseren trauma-sensiblen Ansatz im Umgang mit Überlebenden zu vermitteln.
Unterstützt medica mondiale
Wenn ihr die Arbeit von medica mondiale unterstützen möchtet, könnt ihr online spenden (wählt dazu im Feld „Projekte“ den Stiftungsfonds medica mondiale).
Auf der Website von medica mondiale (www.medicamondiale.org) findet ihr aktuelle Informationen, Hintergründe und weitere Tipps, wie ihr die Arbeit der Organisation unterstützen könnt.
Bildergalerie
Weitere Eindrücke von der Veranstaltung gibt es hier hier auf Flickr.
Titelbild: © Stefan Röhl_CC BY_SA 4.0
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