Die GLS Bank macht ihre Wirkung transparent. In Zahlen und Geschichten berichtet sie von begeisternden Erfolgen, aber auch von Widersprüchen und Konflikten. Darüber sprechen wir mit Dr. Laura Mervelskemper, verantwortlich für Nachhaltigkeit und Wirkungsmessung, sowie mit Vorstandssprecher Thomas Jorberg.
Grüne Bankangebote gibt es jetzt überall. Was ist jetzt das Besondere an der GLS Bank?
Dr. Laura Mervelskemper: Was uns ausmacht, ist unser ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Mit Blick auf die Klimakrise etwa geht es uns auch um Gerechtigkeit. Es muss immer um das Zusammenspiel und die Wechselwirkung aller sozialen und ökologischen Dimensionen gehen. Das macht die GLS Bank besonders.
Gleichzeitig gehört dazu auch, dass es für uns im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen noch kein Erfolg ist, wenn heute weniger CO2 emittiert wird als früher. Es sind unsere planetaren Grenzen, an denen wir uns messen müssen. Mit dem 1,5 °C-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist eine Höchstmenge an CO2 gesetzt, die wir nicht überschreiten dürfen. Einsparungen alleine sagen noch nichts darüber aus, ob es auf unserem Planeten in Zukunft noch gute Lebensbedingungen geben wird. Erst, wenn diese in Einklang mit den notwendigen Einsparungen stehen und damit die Einhaltung des 1,5 °C-Ziels ermöglichen,
kann man von Nachhaltigkeit sprechen.
Thomas Jorberg: All dies fußt auf unserem Leitbild, an dem wir uns orientieren und für das wir stehen. Darin geht es etwa um die „Achtung der Vielfalt des Lebens und der Natur“ und um die „Verantwortung, die auf individuelle Freiheit gegründet“ ist. Diese Aspekte sind wesentlich für unser Wirken. Die GLS Bank wird dafür als Leuchtturm gesehen. Den müssen wir weiter aufstocken und die Leuchtkraft erhöhen.
Auf unseren Nachhaltigkeitsbericht geschaut: Da wird auch offengelegt, wo wir noch nicht so gut sind. Was machen wir mit solchen Ergebnissen?
LM: Zunächst ist wichtig, dass uns die kritischen Punkte bewusst werden. Im Bereich der erneuerbaren Energien etwa mussten wir feststellen, dass aktuell nur ein Prozent der finanzierten Projekte mit wirklichen Innovationen zu tun hat. Anfang der 90er-Jahre waren so gut wie alle unsere Energieprojekte neuartig. Mittlerweile sind diese damaligen Innovationen Allgemeingut geworden und in die Verbreitung gegangen.
Damit kommen wir zwar unserem Ziel einer zu 100 Prozent erneuerbaren Energieversorgung näher. Gleichzeitig gilt es aber zu analysieren und kritisch zu hinterfragen: Was sind heute die Innovationen, die uns weiter voranbringen? Ist das wirklich die Art der Energiewende, die wir wollen? Oder wo müssen wir insgesamt noch besser werden, beispielsweise, um Rohstoffe in Energieanlagen zu ersetzen, die nicht nachhaltig und fair produziert werden?
TJ: Das gilt für die Nachhaltigkeit in allen Branchen: Was wir einmal innovativ begonnen haben, ist heute etabliert. Und die GLS Bank hat sich mit etabliert. Als Pioniere dürfen wir uns mit dem Erreichten nicht zufriedengeben, sondern müssen feststellen: Da geht noch mehr. Auch wir sind noch nicht gut genug. Etwa was unsere eigenen bankinternen Systeme angeht – da brauchen wir dringend einen Innovationsschub, damit sie unserem Qualitätsniveau als Bank entsprechen.
Selbstverständlich müssen wir unsere Zielsetzungen immer wieder hinterfragen, auch aufgrund unserer Erfolge. Für den ersten Ausbau der erneuerbaren Energien etwa war die Finanzierung durch Bürger*innen ganz wesentlich. Dadurch konnten viele Anlagen gebaut werden und es wurde sichtbar, dass eine Energiewende machbar ist. Als Folge davon finanzieren aber mittlerweile auch die etablierten Investor*innen erneuerbare Energien. Entsprechend ändern sich unsere Zielsetzungen.
Unsere Ziele können auch im Widerspruch zueinander stehen, etwa bezahlbarer Wohnraum und hohe Wohnqualität. Was lösen solche Widersprüche aus?
LM: Gerade im Wohnungsbau gibt es viele solcher Zielkonflikte, etwa wenn günstige Wohnungen beispielsweise außerhalb von Städten in Quartieren ohne soziale Vielfalt gebaut werden. Oder wenn wir uns besondere ökologische Baumaterialien und ambitionierte Energiekonzepte wünschen, dies aber nicht in den Finanzierungsplan und zu den angestrebten Mietpreisen passt.
Genauso das Dilemma zwischen der Schaffung von zusätzlichem Wohnraum und der damit verbundenen Flächenversiegelung. Wenn uns solche Konflikte bewusst werden, dann können wir sowohl persönliche als auch politische Konsequenzen ziehen.
Persönlich kann ich mich beispielsweise im Sinne der Suffizienz etwa fragen: Wie viel Fläche brauche ich wirklich? In der Vergangenheit war es meist selbstverständlich, nach immer mehr Wohnfläche zu streben. Wie können wir das dem Wunsch zugrunde liegende Bedürfnis auch durch andere Aspekte decken? Viele Wohnprojekte etwa richten Gemeinschaftsflächen ein und reduzieren die einzelnen Wohnflächen deutlich. Das Gemeinschaftliche kann ein echter Gewinn an Lebensqualität sein, mehr als eine große Wohnung.
In diese Richtung können wir uns hinterfragen: Was steckt wirklich hinter unseren Bedürfnissen und welche Ideen haben wir, diese nachhaltig zu decken? Auf der anderen Seite können die Zielkonflikte ein Hinweis darauf sein, wo die politischen Rahmenbedingungen zu ändern sind. Um beim Thema bezahlbarer Wohnraum zu bleiben: Da bewirken wir als Bank zwar einiges. Aber solange weiterhin mit Grund und Boden wie mit einer Ware spekuliert wird, können wir der Preisentwicklung gerade in den Metropolen kaum etwas entgegensetzen.
Gemeinsam mit Netzwerkpartner*innen aus der Wissenschaft, Verwaltung und der Wohnwirtschaft fordern wir darum eine Bodenwende mit einer stärkeren Sozialbindung des Eigentums.
TJ: Bei solchen politischen Weichenstellungen ist für uns nicht entscheidend, ob sie unserem Geschäftsinteresse als Bank dienen. Das war jetzt auch im Sommer bei unserer Entscheidung zu Photovoltaik auf Ackerflächen nicht der Fall. Der Bau von solchen Anlagen geht im Freiland zwar verhältnismäßig schnell und einfach und die Nachfrage ist groß. Aber aus ökologischen Gründen und mit Blick auf die dringend notwendige Agrarwende ist das eine ganz problematische Entwicklung. Darum haben wir ganz grundsätzentschieden: Die GLS Bank finanziert keine Photovoltaik auf Agrarflächen mehr. Dadurch müssen wir zwar einige Kreditanfragen absagen. Aber wir setzen damit ein klares Signal für den stärkeren Ausbau insbesondere auch auf Gewerbedächern.
Inwiefern haben Erkenntnisse aus dem Nachhaltigkeitsbericht Einfluss auf die Kreditentscheidungen?
LM: Das zeigt sich etwa in Bezug auf das Klima und das konkrete 1,5 °C-Ziel: In der Bankstrategie ist festgeschrieben, dass wir unser gesamtes Kreditportfolio, also unsere gesamten Finanzierungen, dahingehend prüfen, inwieweit sie kompatibel zum Pariser Klimaschutzabkommen sind. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass wir nur noch regenerative Energien finanzieren. Wenn etwa eine soziale Einrichtung in Sachen Energieeffizienz noch nicht so gut dasteht und deutlich über 1,5 °C liegt, dann kann es sehr wirksam sein, dass wir gerade diese Einrichtung finanzieren und sie dann auf dem Weg zur 1,5 °C-Kompatibilität begleiten.
Auch viele produzierende Unternehmen sind ernsthaft auf dem Weg zu einem wirksamen Klimaschutz, haben aktuell aber noch eine katastrophale Klimabilanz. Wichtig ist, dass der richtige Weg glaubhaft und konsequent eingeschlagen wird – und dieser entsprechend
begleitet wird.
TJ: Unseren Kundenbetreuer*innen ist schon immer die Auswirkung der wirtschaftlichen Risiken von einzelnen Krediten auf unser Kreditportfolio bewusst gewesen, als zentrale Kenngröße für jede Kreditentscheidung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir für sinnvolle Unternehmungen keine Risiken eingehen, sondern, dass wir dies bewusst tun. Genau das soll auch für die sozialen und ökologischen Wirkungen unserer Kredite gelten.
Als GLS Bank haben wir schon immer transparent gemacht, was wir finanzieren, etwa im Bankspiegel. Jetzt steht an, dass wir damit Entwicklungsschleifen Wenn unseren Betreuer*innen bewusst wird, welche Auswirkungen das Kreditgeschäft konkret in Bezug auf
unsere gesellschaftlichen Zukunftsbilder hat, und wenn sie darüber mit den Kund*innen in den Austausch kommen, dann kann das die Transformation von uns als Bank sowie von den finanzierten Unternehmen voranbringen.
LM: Und um auf diese Weise genau diese Transformation zu fördern, erhalten unsere Firmenkund*innen sogenannte Wirkprofile, die aufzeigen, wo das eigene Vorhaben oder Unternehmen im Hinblick auf die Zukunftsbilder, aber auch im Vergleich zur Branche steht.
Im Bereich Wohnen etwa kann eine Genossenschaft dann nachvollziehen, wie sie hinsichtlich „bezahlbarem Wohnraum“ oder „nachhaltigem Bauen“ oder „sozialer Vielfalt“ steht, auch im Vergleich zu anderen Wohnbauunternehmen. Außerdem erhält sie Empfehlungen zur Weiterentwicklung.
Um neben Wohnen und Klima noch ein weiteres Beispiel zu geben: Ein nächstes großes Thema über alle Branchen hinweg wird die Biodiversität sein. Genauso wie vom Klima wird unsere Zukunft auf diesem Planeten sehr davon abhängen, dass wir die Artenvielfalt erhalten. Mit Blick auf unsere Investitionen können wir da vieles falsch, aber auch vieles richtig machen. Gleiches gilt aus Sicht der Unternehmen: In einem Wirkprofil die eigene Wirkung auf die Biodiversität, aber auch die Abhängigkeiten von einer intakten Biodiversität dargestellt zu bekommen, kann für ein Unternehmen auch wirtschaftlich ganz entscheidend sein.
TJ: Für uns als Bank wird dies bedeuten, dass wir immer weniger als reine Geldgeberin und
immer mehr als Beraterin gefragt sind. Unser Bankgeschäft wird zukünftig die Folge von einer solchen ganzheitlichen Beratung sein, nicht umgekehrt. Für die Entwicklung der GLS Bank ist das ganz entscheidend. Denn wie am Anfang gesagt: Nachhaltige Finanzierung gibt es bereits überall.
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[green_box]Den kompletten Bankspiegel 2021/2 – „Geld neu Denken“ inklusive der transparenten Kreditliste, kann man auch hier als PDF downloaden (8,3 Mbyte).[/green_box]
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