Oder: Wie viele Banker/innen braucht man, um ein Kürbisfeld abzuernten?
Fünf spannende, lustige und inspirierende Tage verbrachten elf Kolleginnen und Kollegen im Spätherbst auf dem schönen Dottenfelderhof in Bad Vilbel bei Frankfurt.
Teilnehmerin Jamine Langer-Wolf, Kundenbetreuerin in Berlin, erzählt von den Eindrücken und Erlebnissen
Erwartet hatten wir, dass wir mehr über eine unserer „Kernbranchen“, die biologische Landwirtschaft, erfahren – bekommen haben wir viel mehr!
Der Dottenfelderhof ist bereits seit seiner Gründung mit der GLS Bank und der GLS Treuhand verbunden. Haben einstmals, vor fast 1000 Jahren, vor allem Mönche das Fleckchen Erde im Norden von Frankfurt am Main beackert, diskutierten in den 1960er bis 1980er Jahren die damaligen Hofpioniere mit angehenden Politikern und anderen gesellschaftsprägenden Persönlichkeiten über die Zukunft der Landwirtschaft. 1968 lernten die Hofgründer Wilhelm Ernst Barkhoff kennen und die gemeinsame Geschichte von „Dotti“ (wie Hoffans den Hof gerne nennen) und GLS Bank nahm ihren Lauf. Seither ist die Hofgemeinschaft stetig gewachsen. Heute zählt sie fast 150 Menschen. Margarethe Hinterlang, eine der vielen engagierten Persönlichkeiten auf dem Hof, begleitete uns durch die Woche.
Unsere Tage waren aufgeteilt in theoretische und praktische Inputs sowie in praktisches Anpacken. Theoretischen Input bekamen wir nach einer Einführung in die biologisch-dynamische Landwirtschaft zum Thema Boden und Humus, zur Pflanzenzüchtung, zum Gartenbau, zur Tierhaltung und auch zu den aktuellen Herausforderungen, denen sich die Hofgemeinschaft gegenüber sieht. Wir lernten die biodynamische Landwirtschaft als einen von Menschen geschaffenen Organismus mit einer gesunden Beziehung zu Pflanzen und Tieren kennen, der alle gegebenen Bedingungen (wie Klima und Boden) in sich berücksichtigt.
So spannend die Theorie auch war, am Nachmittag mussten wir ran an die Schaufel. Im Praxisteil hatten wir Gelegenheit, die Tierhaltung vor Ort zu erleben und mitzumachen. Wir waren auf den Feldern, in den Bäumen, bei der Saatgutgewinnung dabei und haben Einblick in das auch sehr harte Leben auf dem Hof erhalten.
Besonders beeindruckte uns alle die Kuhherde des Hofes. Die 80-köpfige schwarzbunte Milchviehherde ist das Herz des Betriebes. Die Kühe fressen sich im Laufe der Jahre und der Fruchtfolge durch den gesamten Betrieb, durchschmecken und durchkauen beim Wiederkäuen das Futter und schenken dem Hof neben der Milch den für den Betrieb passenden Mist. Durch das betriebseigene Futter und die jahrelange Zucht auf dem Hof sind die Kühe an die Futtergrundlage des Hofes angepasst.
Neben einem Nachmittagstermin für alle durften jeden Morgen zwei, drei von uns mit in den Stall zum Füttern, Misten, Striegeln und um die besondere Atmosphäre zu spüren, die von diesen großen Tieren ausgeht.
Der Verantwortliche für die Hühner, Jürgen Feller, ist von Haus aus Sozialpädagoge. Ihm ist die Zähmung der Tiere sehr wichtig, vor allem um Krankheiten zu erkennen oder sie vor Habichten zu schützen. Zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er Routinen entwickelt, um möglichst oft bei den Tieren zu sein. Auch die zwölf Monatstugenden nach Steiner spielen hier eine Rolle: Im September war die Höflichkeit dran – da wird vor dem Betreten des Stalles angeklopft …
Weitere Highlights waren die Kürbisernte mit Friedward – einige von uns durften sich sogar im Traktorfahren versuchen – und die Apfelernte mit Alberto, bei denen wir innerhalb weniger Stunden einmal die Hälfte der Gesamtproduktion des Hofs an Kürbissen und fast eine Tonne Äpfel der Sorte Pinova und Boskoop ernteten.
Wir konnten sehen, wie viel Herzblut und Tiefenwissen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hofes haben müssen, damit diese Gemeinschaft unter den Bedingungen des niedrigen Milchpreises und vielen weiteren funktioniert. Wir hörten leider auch fast überall, dass sich dies nie und nimmer rechnen würde, wenn man die Teilbereiche des Hofes isoliert betrachte. Ökonomisch wird der Hof jedoch als gesamter Betrieb (ein Organismus) gesehen. Denn sonst, so Martin von Mackensen, Leiter der Landbauschule, „wäre keine Biene mehr auf dem Hof!“. Das Ziel ist jedoch auch nicht der Gewinn des Hofes, sondern die biodynamische Landwirtschaft als „Kulturkraft für die Zukunft aller voran zu tragen“ (Manfred Klett, Hofpionier).
Neben der Ausübung und Weiterentwicklung der biodynamischen Landwirtschaft sieht der Hof seine Verantwortung in der Schaffung von Transparenz und in der Aufklärung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Daher finden auf dem Hof jährlich zahlreiche Veranstaltungen für die Öffentlichkeit statt. Von einem Hoffest bis hin zur wöchentlichen Fütterungsrunde mit Kindergartenkindern versucht der Hof, Bewusstsein für die Themen der biodynamischen Landwirtschaft zu schaffen. Frei nach dem Hofmotto: „Wissen, wo’s herkommt.“ Aber diesen Slogan hat inzwischen McDonalds übernommen …
Ein Höhepunkt für uns war am letzten Tag ein Gespräch mit dem Hofpionier und langjährigem Leiter der landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum Manfred Klett. Er gab uns mit auf den Weg, dass wir Bank nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denken sollen. Man kann und muss sich manchmal ins Risiko stellen. Wie Wilhelm Ernst Barkhoff, der dem Hof vor 48 Jahren u. a. einen sehr hohen Kredit auf Vertrauen ermöglichte und so auch dessen Existenz möglich machte. Im Laufe der Jahre gab es neben ihm immer wieder Menschen, die uneigennützig geholfen haben. „Ohne diese Menschen, die durch ihr Herzensverständnis geholfen haben, wäre der Hof nicht mehr da. Es ist alles möglich, wenn man für sich selbst nichts will und immer voll und ganz und unverbrüchlich zu seiner Idee steht“ (Manfred Klett). Und weiter, dass um in Menschen Begeisterung entflammen zu lassen, man ihnen die Möglichkeit geben müsse, die Idee in sich lebendig werden zu lassen. Diese Möglichkeit, die Idee und Aufgabe der GLS Bank in uns lebendig werden zu lassen, haben wir mit dieser Fortbildung „Mitarbeiter/in vor Ort auf dem Bauernhof“ erhalten. Und es hat funktioniert.
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Bei der Fortbildung „Mitarbeiter/in vor Ort“ erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GLS Bank die Möglichkeit, sich eine einige Tage lang intensiv mit Themen oder Branchen zu beschäftigen, die zu den GLS Kernideen und zum GLS Kerngeschäft zählen.
Website Dottenfelderhof
Fotos: Stephan Münnich
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