Zu unserem nachhaltigen Geschäftsmodell gehört, dass wir uns buchstäblich in die Karten schauen lassen. Seit der Gründung der GLS Bank werden alle Kredite in einer Liste in unserem GLS-Bankspiegel veröffentlicht. Auf unserer Homepage stellen wir ausgewählte Projekte ausführlicher vor, in unserem Blog kommen wir mit diesen Projekten und den engagierten Menschen ins Gespräch. Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt Amaryllis eG in Bonn-Beuel ist unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten ein Leuchtturmprojekt und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Wir haben uns mit Gerd Hönscheid-Gross, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, unterhalten.
Herr Gerd Hönscheid-Gross, wie kam es zur Idee und schließlich zur Gründung des Wohnprojekts? Inwiefern kann man Amaryllis eG als Leuchtturmprojekt bezeichnen?
Meine Frau, Silke Gross, und ich waren 1994 in Bonn auf der Suche nach gemeinschaftlichen, generationsübergreifenden Wohnformen. Dabei trafen wir auf eine kleine Gruppe älterer Menschen, die zur Realisierung eines Altenprojekts in der Bonner Innenstadt den Verein Amaryllis gegründet hatten (diese schöne Pflanze stand gerade auf dem Tisch). Der Mehrgenerationengedanke wurde gerne aufgenommen und dann begann eine 10jährige Periode der Suche nach einem geeigneten Grundstück bzw. Gebäude. Mit der Festlegung auf das Grundstück in Bonn-Beuel, Vilich-Müldorf, im Jahr 2005 fanden sich nach und nach 46 Erwachsene aller Altersstufen (und 20 Kinder und Jugendliche), die sich mit den formulierten Zielen der neu gegründeten Amaryllis eG identifizierten. Merkmale, die vielleicht die Bezeichnung Leuchtturmprojekt begründen, sind die gelungene Generationenmischung (1/3 junge Familien mit Kindern, 1/3 Personen zwischen 45 und 65, 1/3 Personen über 65), die Bereitschaft der Bewohner zur gegenseitigen Hilfe, sich in der ihnen möglichen Form für und in die Gemeinschaft einzubringen und Konflikte gemeinsam zu lösen. Darauf gründet auch der erfolgreiche Ansatz der Selbstorganisation und Selbstverwaltung der Amaryllis eG.
Was bedeutet generationenübergreifendes Zusammenleben im Alltag?
Das sind im Kern die vielen kleinen, nicht immer sichtbaren Begegnungen, gegenseitige Hilfen, gemeinsame Mahlzeiten, Kinderbetreuung, organisierte oder spontan entstehende gemeinsame Aktivitäten. Die Bewohner sind in den verschiedenen Selbstorganisationsgruppen engagiert. Dabei ist es wichtig, dass alle Generationen mit ihren Interessen vertreten sind. Dazu gehören monatliche Bewohnertreffen, Arbeitsgruppen, individuelle Unterstützer, Personen, die konkrete Gemeinschaftsaufgaben – wie die Buchhaltung, Verwaltung, Finanzmanagement, Haus und Technik, Gartenpflege, Kinderaktivitäten etc. – übernommen haben und die Arbeit im Vorstand und im Aufsichtsrat.
Amaryllis ist genossenschaftlich organisiert. Können auch Menschen Mitglied werden, die nicht bei Ihnen wohnen und trotzdem Ihre Idee unterstützen und dabei von einer sicheren, marktüblichen verzinsten Kapitalanlage profitieren wollen? Wie viele Mitglieder haben Sie derzeit?
Wir haben die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft gewählt, weil diese die Selbstbestimmung und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt rückt und weil der Ein-, aber auch Ausstieg im Vergleich zu individuellen Eigentumsverhältnissen wesentlich leichter ist. Menschen, die nicht oder noch nicht bei uns wohnen wollen, die Idee aber unterstützenswert finden, können investierende Mitglieder werden. Die von allen 53 Mitgliedern gehaltenen Einlagen bilden mit 27% das gesunde finanzielle Fundament der Genossenschaft. 46 Mitglieder wohnen in der Genossenschaft.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der GLS Bank?
Das vorhandene kommerzielle Bankensystem konnte zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme zur Errichtung der Gebäude nur sehr unzulänglich auf die Bedürfnisse und Besonderheiten der Amaryllis eG eingehen. Die ethische Ausrichtung und die von der GLS Bank angebotenen innovativen Finanzierungsinstrumente – z.B. Darlehenssicherung durch eine hohe Zahl von Kleinstbürgschaften – entsprachen unserer Situation und unseren Vorstellungen. Daher arbeiten wir gerne mit der GLS Bank zusammen.
Herr Hönscheid-Gross, wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch!
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