Die Fleckenbühler sind eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für suchtkranke Menschen. Die Bewohner werden bei ihrem Weg aus der Sucht begleitet und schaffen sich durch die Arbeit in angegliederten Betrieben berufliche Perspektiven. Die energetische Gebäudesanierung des Fleckenbühler Hauses in Frankfurt wurde von der GLS Bank finanziert. Wir haben mit dem Geschäftsführer der Fleckenbühler Ronald Meyer gesprochen.
1. Aus welcher Motivation heraus wurden die Fleckenbühler gegründet?
Ronald Meyer: Die Fleckenbühler sind eine Selbsthilfe von Drogensüchtigen. Sie wurde 1971 in Berlin unter dem Namen Release ins Leben gerufen. Später benannte sie sich um in Synanon und 1995 trennte sich der hessische Teil der Organisation von Synanon und nannte sich ab da „die Fleckenbühler“. Die Motivation bestand und besteht darin, einen Platz zu haben, wo man drogen- und alkoholfrei leben kann. Jeder, der zu uns kommen möchte, kann dies sofort ohne Vorbedingungen, zu jeder Zeit – tags und nachts – tun. Darüber hinaus kann er in der Gemeinschaft so lange bleiben, wie es ihm notwendig erscheint.
2. Sie haben mehrere Häuser eingerichtet, in denen Suchtkranke Hilfe finden. Wie arbeiten und leben die Menschen in den verschiedenen Häusern?
Ronald Meyer: Wir leben und arbeiten zusammen. Das heißt, es gibt keine Trennung zwischen der Arbeit und dem Privatleben. Wir haben eine Reihe Zweckbetriebe, mit denen wir versuchen, einen großen Teil unseres Einkommens selbst zu erwirtschaften. Das sind auf dem Hof Fleckenbühl schwerpunktmäßig die Landwirtschaft und deren verarbeitende Betriebe und in Frankfurt ein Transportunternehmen, ein Ladengeschäft und eine Bäckerei. Die Arbeit wird – da wir ja selbständig sind – von uns selbst organisiert und den Bedürfnissen der Gemeinschaft sowie den Fähigkeiten der Bewohner angepasst. So bleiben wir sehr flexibel und haben kleine Hierarchien.
3. Welche Hilfe benötigen suchtkranke Menschen, um wieder ins Leben finden zu können, und inwieweit unterstützen die Fleckenbühler sie dabei?
Ronald Meyer: Ganz allgemein gesagt, brauchen Menschen mit Suchtproblemen eine feste Struktur und ein drogenfreies Umfeld. Darüber hinaus brauchen sie Anregungen und Unterstützung, um sich durch Erwerb von Ausbildung und Qualifikationen, schulischer oder beruflicher Art, zu befähigen, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können. Beides bietet die Fleckenbühler Gemeinschaft an.
4. Wie funktioniert das Zusammenleben in Ihren Häusern? Welche Probleme gilt es zu lösen und welche Erfahrungen machen Ihnen Hoffnung?
Ronald Meyer: Etwas vereinfacht ausgedrückt funktioniert das Zusammenleben in der Fleckenbühler Gemeinschaft wie in einer großen Kommune mit angeschlossenen Betrieben und Buchhaltung. Alles ist selbst organisiert und muss selbst verantwortet werden. Die dabei auftretenden Probleme müssen in Gesprächen zwischen den Beteiligten besprochen und gelöst werden. Dafür gibt es unter anderem ein Gesprächsformat, das wir das „Spiel“ nennen. Hier werden alle zwischenmenschlichen Probleme besprochen. Dabei geht es zumeist sehr emotional zu. Daneben haben wir selbstverständlich alle denkbaren Arten von Gesprächen, z.B. Arbeits- und Geschäftsbesprechungen wie in jeder anderen Firma auch. Im Laufe der Jahre sind viele Tausend Menschen mit Drogen- und Alkoholproblemen zu uns gekommen. Viele konnten ihr Leben neu ausrichten und sich von ihren Suchtproblemen lösen. Eine fast vierzigjährige Erfahrung in diesem Bereich macht uns zuversichtlich, dies auch in Zukunft schaffen zu können.
5. Die Fleckenbühler verpflichten sich in ihrem Öko-Leitbild auch ökologischen Prinzipien. Wie sehen diese aus?
Ronald Meyer: Das Ökoleitbild der Fleckenbühler lautet:
„Die Fleckenbühler sind eine Gemeinschaft von Menschen mit Abhängigkeitsproblemen, deren Ziel es ist, sich aus der Drogen- oder Alkoholabhängigkeit zu lösen und ein selbst bestimmtes und nüchternes Leben zu führen. Sucht ist ein alle Lebensbereiche umfassendes Problem, was nicht nur dadurch zu lösen ist, dass die süchtig machende Substanz weggelassen wird, sondern es muss eine Umgestaltung aller Lebensbereiche erfolgen. Daher bedeutet Suchthilfearbeit auch, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, sie zu achten und zu schützen. Eine gesunde Umwelt ist die Grundlage allen Lebens.
Das Leitbild gilt sowohl für die Gemeinschaft als Ganzes, als auch für den einzelnen Bewohner und Mitarbeiter der Fleckenbühler. Ökologisches Bewusstsein soll bei unseren Bewohnern und Mitarbeitern durch Information, Qualifizierung und geeignete Arbeitsbedingungen gefördert werden. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen über die Zusammenhänge und Kreisläufe von Energie, Wasser, Luft und Rohstoffen sowie der Tatsache, dass diese Dinge nicht unbegrenzt vorhanden sind und dass unser menschliches Handeln darauf Einfluss nimmt. Auch kommende Generationen sollen noch die natürlichen Lebensgrundlagen nutzen können. Die Natur soll vor vermeidbaren Schäden geschützt werden. Verlorengegangene Grundlagen für eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise wollen wir aktiv wiederherstellen. Umweltbewusstes Handeln muss ein integraler Bestandteil der Arbeit und des Zusammenlebens und damit verbindlich für alle Bewohner und Mitarbeiter werden. Messbare ökologische Kriterien werden entwickelt, optimiert und bilanziert. Ziel ist es, durch ökologisches Handeln die Qualität der Suchthilfearbeit nachhaltig zu verbessern.“
So wurde zum Beispiel in diesem Jahr eine energetische Sanierung unseres Hauses in Frankfurt durchgeführt. Dabei wurde der alte Ölbrenner durch eine moderne Pelletheizzentrale ersetzt. Diese Maßnahme wurde über die GLS Bank finanziert.
6. Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen den Fleckenbühlern und der GLS Bank?
Ronald Meyer: Seit 1984 betreiben wir auf dem Hof Fleckenbühl eine Demeter-Landwirtschaft. Unsere Kinder gehen zum Teil in die Waldorfschulen. Hier gab es immer wieder Kontakte zur GLS Bank. Seit 2003 ist die GLS Bank in Frankfurt unsere Hausbank. Dies lag vor allem darin begründet, dass die GLS Bank uns beim Hauskauf in Frankfurt unterstützt hat. Natürlich spielt auch die sozialökologische Ausrichtung der Bank eine Rolle für uns. Eine Bank, die Verständnis für unsere besonderen Anforderungen und Bedingungen hat, und die bereit ist darauf einzugehen, ist für uns sehr hilfreich. Nicht zuletzt hat man das Gefühl, bei dieser Bank als Kunde / Mensch noch individuell wahrgenommen zu werden und man selbst kennt die meisten der handelnden Akteure. Das macht vieles angenehm und einfach.
Herr Meyer, wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch!
Hier erfahren Sie mehr über die Fleckenbühler >>
Eine Kurzvorstellung der Fleckenbühler finden Sie hier >>
Das Interview führte Heidrun Weinelt
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