Öl, Gas, giftige Müllhalden – 7 von 16 Bundesländern investieren für Pensionsfonds in korrupte und klimaschädliche Unternehmen. Tabea Lutzker und Rebecca Weber vom GLS Research Wertpapiere erklären im Interview mit correct!v Autorin Annika Joeres die Alternativen.
Von Annika Joeres
Wie sinnvoll ist eine Firma? Die alternative GLS Bank aus Bochum untersucht vor jedem Investment genau, wie ökologisch und ethisch korrekt ein Unternehmen agiert. Und lässt im Zweifel den gesunden Menschenverstand entscheiden. Die beiden Vermögensmanagement-Experten Tabea Lutzker und Rebecca Weber fordern von Behörden, zunächst kritisch gegen die Anlage zu recherchieren.
correctiv.ruhr: Viele Bundesländer haben nach unseren Recherchen Geld für künftige Beamtenpensionen in schmutzige Anlagen investiert und unterstützen damit Unternehmen, die mit klimaschädlichem Öl oder Gas ihr Geld verdienen. Die Länder argumentieren, es gebe kaum Alternativen auf dem Markt. Stimmt das?
Tabea Lutzker: Natürlich gibt es Alternativen. Aber jedes Land, jeder Anleger und jede Anlegerin, muss sich die Mühe machen, die Unternehmen genauer anzugucken, in die Geld investiert wird. Das kostet natürlich erst einmal Zeit. Firmen am Aktienmarkt sind per se sehr groß und meistens international tätig, sie zu durchschauen ist eine umfangreiche Aufgabe.
correctiv.ruhr: Sie analysieren für die GLS Bank, ob ein Unternehmen ethisch und ökologisch korrekt genug ist, um von Ihnen Geld zu erhalten. Wie kommen Sie an die Informationen?
Rebecca Weber: Unser Ansatz ist kritisch – wir sind im Zweifel gegen den Kandidaten. Zunächst mal checken wir, ob das Kerngeschäft eines Unternehmens positiv und sinnvoll ist – darüber fallen schon einmal sehr viele Firmen raus. Mobilität, Gesundheit, Soziales, Erneuerbare Energien sind für uns beispielsweise sinnvolle Geschäftsfelder. Öl- oder Kohlefirmen, Rüstungskonzerne und konventionelle Agrarunternehmen fallen raus. Dann informieren wir uns bei Agenturen, die Firmen auf ihre Nachhaltigkeit analysieren. Wir wollen wissen: Wie sind die Geschäftspraktiken? Wie geht die Firma mit Menschenrechten um, wie mit Umweltstandards? Ist sie möglicherweise an Atomkraft beteiligt? Erst bei positiven Antworten empfehlen wir dem Anlageausschuss die Aufnahme. Im Ausschuss sitzen dann beispielsweise eine Menschenrechtsexpertin und ein Umweltexperte.
correctiv.ruhr: Sind die Meinungen über die Firmen am Ende eindeutig? Wie bewerten Sie beispielsweise Konzerne wie Apple oder Microsoft?
Tabea Lutzker: In diese Unternehmen sind wir nicht investiert. In der langen Zuliefererkette gibt es zu oft einen Punkt, an dem Arbeiter schlecht behandelt und bzw. oder schlecht bezahlt werden. In der Elektronikindustrie gibt es grundsätzlich viele schwierige Fälle, weil in der Herstellungskette häufig Rohstoffe wie Seltene Erden vorkommen, die Konflikte und Ausbeutung schüren. Trotzdem ist Kommunikation ein menschliches Grundbedürfnis. Außerdem können Informationssysteme wie beispielsweise Videokonferenztechnik helfen, klimaschädliche Geschäftsreisen zu ersetzen.
correctiv.ruhr: Haben Sie auch schon Firmen wieder rausgeschmissen, in die schon investiert wurde?
Rebecca Weber: Ja, einige. Da wir eine laufende Überprüfung aller unserer Investitionen vornehmen, fallen kontroverse Meldungen in der Presse oder von Nichtregierungsorganisationen bei uns auf. Summieren sich die kritischen Meldungen, wird das Unternehmen auf dem Prüfstand gestellt und als letzte Lösung entfernt. Unsere Kunden sind sehr anspruchsvoll. Beispielsweise investieren wir in ökologische Landwirtschaft, zu der auch die Viehwirtschaft gehört. Manche unserer Kunden sehen das kritisch, weil auch das für sie Ausbeutung von Tieren ist. Mit unseren Filtern fliegen sehr viele Unternehmen raus, es ist nicht immer leicht, unser Geld sinnvoll anzulegen.
correctiv.ruhr: Es gibt noch einen zweiten Ansatz: Viele nachhaltige Fonds fördern diejenigen, die innerhalb ihrer Warengruppe Fortschritte machen.
Tabea Lutzker: Ja, das ist der „best-in-class“-Ansatz. In Anlagen, deren Titelauswahl auf diesem Ansatz beruht, können sich z.B. auch Erdölunternehmen finden. Ihre „Nachhaltigkeit“ basiert im Wesentlichen darauf, dass ihre Mitbewerber sozial und ökologisch noch schlechter abschneiden. Deswegen plädieren wir auch dafür, sich nicht nur auf die reinen Zahlen zu verlassen. Der gesunde Menschenverstand sagt uns häufig sehr genau, ob ein Produkt sinnvoll ist oder nicht.
correctiv.ruhr: Inzwischen werben auch große Konzerne wie die Allianz damit, nicht mehr in klimaschädliche Anlagen zu investieren. Das ist doch ein großer Fortschritt.
Rebecca Weber: Ja und Nein. Es ist gut, dass das Bewusstsein wächst. Ob große Unternehmen ihr Kerngeschäft nachhaltig transformieren oder viel Geld in ihre Hochglanzprospekte stecken bedarf aber einer genaueren Betrachtung. Im Zuge der Divestment Initiative schließen viele Investoren Firmen aus, die mehr als 30 Prozent in fossiler Energie tätig sind. Das ist für uns zu wenig. Wichtig ist nun vor allem: Wo fließt das Geld stattdessen hin? Wenn anstatt Öl nun plötzlich Nuklearkraft gefördert wird, ist weder Mensch noch Umwelt geholfen.
correctiv.ruhr: Viele Städte und Länder sagten uns, Anlagen in nachhaltige Fonds oder Firmen seien nicht lukrativ genug, sie hätten eine zu geringe Rendite.
Tabea Lutzker: Unsere Finanzexperten sagen immer: Die Rendite von nachhaltigen Investments ist grundsätzlich weder besser noch schlechter. Zahlreiche Studien haben sich mit diesem Thema beschäftigt, in der Regel ist die Aussage immer gleich: Wer nachhaltig investiert, muss weder auf Rendite verzichten, noch per se ein höheres Risiko eingehen. Im Gegenteil: Unternehmen mit hohen Umweltstandards laufen weniger Gefahr, für Umweltverschmutzungen haften zu müssen. Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern haben eine geringere Fluktuation, was wiederum die Produktivität steigert. Unternehmen, die ihre Zulieferketten überwachen und an sich selbst hohe Standards anlegen, haben ein guten Ruf und müssen sich nicht um ihre Reputation fürchten. Die Liste ließe sich sicher noch weiter führen.
Annika Joeres
arbeitet für das gemeinnützige Recherchebüro CORRECTIV.org. Es
finanziert sich aus Spenden der Mitglieder.
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Die GLS Treuhand e.V. hat correctiv.org in der Vergangenheit unterstützt. Im Jahr 2015 hat correctiv.org 20.000 Euro von der GLS Treuhand erhalten. Vor wenigen Wochen hat correctiv.org noch einmal 3500 Euro von der GLS Treuhand für das Projekt „Studio Bassel“ erhalten. Die GLS Treuhand e.V. kooperiert mit der GLS Gemeinschaftsbank eG unter der Dachmarke GLS Bank.
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