Helga Koch und Thomas Jorberg im Gespräch über neue Herausforderungen für die GLS Bank
Die GLS Bank ist während der letzten Monate stark gewachsen. Während andere Institute um ihre Existenz bangen, können Sie unbesorgt in die Zukunft blicken. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Thomas Jorberg: Ich führe unser Wachstum darauf zurück, dass sich immer mehr Menschen Gedanken um ihr Geld machen. Es interessiert sie, was mit ihrem Geld passiert und was sie damit in der Gesellschaft bewirken können. Das „magische Dreieck der Vermögensanlage“, bestehend aus Rendite, Verfügbarkeit und Sicherheit, hat also eine weitere Komponente hinzubekommen – den Sinn. Ich sehe auch einen Zusammenhang zwischen unserem Wachstum und den Branchen, in denen wir tätig sind. Die Naturkostbranche oder der Bereich der regenerativen Energien beispielsweise sind stark gewachsen. Wir wollen unsere Kunden auch künftig professionell und gut begleiten – daher entwickeln wir uns mit ihnen weiter.
Sind den Menschen Sinn und Verantwortung ihres Handelns wichtiger als noch vor ein paar Jahren?
Jorberg: In meinen Augen leben die Menschen noch bewusster. Und sie verzahnen ihre Bedürfnisse. Ich sage immer: Die Menschen sind eben nicht „bedürfnisschizophren“. Ihre Bedürfnisse sind nicht isoliert oder gegensätzlich. Neben einer intakten Umwelt wünschen sie sich zum Beispiel auch gesundes Essen, gute Bildung und neue Wohnformen. Eine Kontoverbindung oder eine Finanzierung über uns kann eben auch dazugehören.
Wie passen Wachstum und die Werte der GLS Bank zusammen? Müssen Sie in Zukunft Kompromisse schließen?
Jorberg: Selbstverständlich bringt das Wachstum große Herausforderungen mit sich. Ich sehe immer die Gefahr, dass wir mit zunehmender Größe ein Stück unpersönlicher oder „normaler“ werden. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass die Beziehung zu unseren Kundinnen und Kunden weiterhin genügend Raum behält. Bis jetzt gelingt uns dieser Spagat, wenn auch nicht fehlerfrei. Bei unseren Grundwerten wie Transparenz oder dem Bezug zur Realwirtschaft werden wir keine Kompromisse eingehen. Das sind ja die Grundfesten unserer Existenz. Ohne sie gäbe es die GLS Bank nicht.
Frau Koch, Sie haben täglich mit den internen Prozessen der GLS Bank zu tun. Wie erleben Sie das Wachstum der letzten Monate?
Helga Koch: Ich war über einen langen Zeitraum für die Marktfolge Passiv in der Bank zuständig. Das ist der Bereich, in dem Konten angelegt und Änderungswünsche bearbeitet werden. Bei uns hat das Wachstum starke Veränderungen mit sich gebracht. Von Oktober bis März sind doppelt so viele Anträge bei uns eingegangen wie in den Vormonaten. Viele Kundinnen und Kunden mussten auf die Bearbeitung länger warten. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle entschuldigen und uns für das längere Warten herzlich bedanken. Inzwischen haben wir die Arbeitsabläufe weiterentwickelt und eine Reihe von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingearbeitet. Heute hat jeder genau die Anzahl von Aufträgen auf dem Tisch, die er an einem Tag erledigen kann. Das ist wichtig, um abends mit einem guten Gefühl nach Hause zu gehen.
Andere Geldinstitute springen auf den Zug der „Grünen Bank“ auf. Auch dort gibt es nachhaltige Angebote oder Co2-Rechner. Was halten Sie davon?
Jorberg: Ich würde nicht sagen, dass andere Banken auf den Zug aufspringen. Davon sind sie noch weit entfernt. Sie erkennen aber, dass es Themen gibt, die die Menschen bewegen und die sie nicht gänzlich vernachlässigen können. Ich sehe vielmehr, dass diese neuen, nachhaltigen Angebote im Widerspruch zu ihrer sonstigen Geschäftspolitik stehen. Wie sie mit diesem Widerspruch leben können, wird sich noch zeigen.
Wird die GLS Bank immer mehr zu einer „normalen“ Bank?
Jorberg: Ja und nein. Auf der einen Seite wünschen sich unsere Kunden den gleichen Service, den gleichen technischen Standard und auch die gleichen Konditionen wie bei anderen Banken. Dem können wir uns stellen. Auf der anderen Seite haben wir mit der Entwicklung des sozial-ökologischen Finanzmarktes nicht mehr diese Pionierrolle. Die Frage, was Banken mit ihrem Geld machen, wird heute öfter gestellt. Im entscheidenden Sinne aber sind und werden wir nicht „normal“: Gleichzeitig mit der Suche nach zukunftsweisenden Projekten und Initiativen in unseren Tätigkeitsfeldern entwickeln wir unsere eigenen Angebote und Aktivitäten weiter. Insofern versuchen wir ständig, unseren Beitrag zur Veränderung der „Normalität“ zu leisten.
Haben sich die Kundenbedürfnisse verändert?
Koch: Ja, sie sind anders als noch vor einigen Jahren. Da hatten die Kundinnen und Kunden zum Beispiel ein Sparkonto bei uns – ihr Girokonto oder ihre Finanzierungen liefen aber über andere Institute. Heute erledigen Kundinnen und Kunden ihre gesamten Geldgeschäfte bei uns. Wir sind für alle Anliegen ihre erste Wahl – eben eine Hausbank. Die angelegten Volumina sind in den letzten Jahren größer geworden und haben das Verhältnis von Kundenanzahl und Einlagen verändert. Darüber hinaus haben wir unsere telefonische Erreichbarkeit ausgeweitet, um unsere Kundinnen und Kunden schneller zu bedienen. Vieles kann zudem über das Internet erledigt werden. Dieser Kommunikationsweg wächst in besonderem Maße und mit unserem Service-Portal ist es möglich, Konten komplett und schnell über das Internet zu eröffnen.
Wo will die GLS Bank verstärkt aktiv werden?
Koch: Bestimmte Bereiche möchten wir noch ausbauen. Zum Beispiel das Angebot für Firmenkunden. Hier ist die GLS Bank technisch gesehen mit dem Online-Banking-Modul auf einem sehr hohen Niveau. Viele Kunden wünschen sich dabei jedoch mehr Unterstützung und Anleitung. Dieses Know-how werden wir künftig verstärkt anbieten. Vor allem aber sehe ich die GLS Bank als Wegbereiter für wichtige gesellschaftspolitische Themen. Unser Wachstum ist eine Chance, noch mehr Menschen zu erreichen und für eine nachhaltige Entwicklung zu begeistern.
Helga Koch ist zuständig für den Zahlungsverkehr und die elektronische Kundenbedienung.
Thomas Jorberg ist Vorstandssprecher der GLS Bank und im Vorstand u.a. zuständig für die Strategientwicklung und die Vermögens- und Kundenberatung.
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