Jedes Jahr werden Millionen Tonnen Nahrung weggeworfen. Eine Suche nach den Gründen auf Äckern, in Supermärkten, bei den Produzenten – und privat zu Hause.
Leider ist es nicht überraschend. Zwei Erwachsene, zwei Kinder, zwei Haushalte. Und immer was zu essen im Haus. Nein, ehrlich sein: immer reichlich zu essen im Haus. Wir, als Familie eine der kleinen Zellen der Gesellschaft, leben, was Lebensmittel angeht, auf großem Fuß. Wir kaufen viel ein und werfen viel weg. Damit sind wir leider keine Ausnahme, sondern typisch und Teil eines mächtigen Mainstreams, der in die falsche Richtung fließt.
Im Schnitt wirft jeder Deutsche pro Jahr 82 Kilogramm Essen weg. In Europa sind es geschätzte 89 Millionen Tonnen. Und auf der ganzen Welt angeblich ein Drittel der produzierten Nahrung, satte 1,3 Milliarden Tonnen.
Superlative haben schnell etwas Abstraktes. Wird man mit ihnen zugeschüttet, berühren sie so wenig wie die Vorworte vieler Studien zum Thema Lebensmittelmüll. Während der Westen verschwendet, mahnen darin die Wissenschaftler stets streng, hungert der Rest der Welt. Das ist ein Zusammenhang, der schon im Kindergarten nicht gezogen hat: Iss auf, denk‘ an die armen Kinder in Afrika! Heute sagen Aktivisten: Allein von einem Viertel aller in den Industriestaaten weggeworfenen Nahrungsmittel könnte man eine Milliarde Hungernde ernähren. Das ist sicher nicht falsch. Es erfüllt nur offensichtlich nicht seinen Zweck – der Westen verschwendet einfach weiter.
In Großbritannien hantieren sie geschickter mit den Zahlen. Das britische Umweltinstitut Wrap erklärte 2011: Mit den immerhin 1,1 Millionen Tonnen Lebensmittelmüll, die man dank groß angelegter Kampagnen zwischen 2007 und 2011 vermieden habe, könnte man „das Londoner Wembleystadion füllen bis zum Rand“. Das ist beeindruckend.
Die Europäer haben sich Großes vorgenommen. Die EU-Kommission will ihre Mitgliedstaaten über eine Änderung der Abfallrahmenrichtlinie unter anderem dazu verpflichten, ihren Lebensmittelmüll bis zum Jahr 2025 um mindestens 30 Prozent zu reduzieren. Stimmen die Regierung und das Europäische Parlament zu, wäre das die erste rechtliche Verpflichtung dieser Art. Ein grundlegendes Problem ist allerdings, dass die Staaten noch nicht einmal genau wissen, wie hoch ihre Müllberge eigentlich sind und wer in der Kette der Verschwender – von Stall und Feld über Industrie, Händler und Verbraucher bis hin zur Deponie – daran welchen Anteil hat. Überall wird geschätzt, hochgerechnet, ausgewertet. Und es ist schon das Jahr 2014.
Die Zahlen, die existieren sind bereits schrecklich genug: Elf Millionen Tonnen Essen werfen allein die Deutschen laut einer Studie des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung pro Jahr weg. Die Auftragsstudie stammt aus dem Jahr 2012; ihr zufolge gehen davon 6,7 Millionen Tonnen auf das Konto der privaten Haushalte. Das sind 61 Prozent. Backwaren, Obst und Gemüse stehen ganz oben auf der Liste dessen, was regelmäßig im Müll landet. 235 Euro pro Kopf und Jahr sollen laut der Forscher somit in der Tonne verschwinden.
Doch was treibt uns dazu, dass wir mehr einkaufen und kochen, als wir nachher essen? Warum verschwenden wir so leichtfertig? Der Soziologe Stephan Lorenz von der Universität Jena beschäftigt sich damit, was der Überfluss mit unserer Gesellschaft macht. Er vermutet: „Es hat mit unserem Selbstverständnis von Wahlfreiheit zu tun.“ Frei wählen und entscheiden zu können, sagt der Soziologe, sei uns als Individuen der westlichen Gesellschaft wichtig. Und je mehr Möglichkeiten man hat, desto mehr kann man wählen. Beim Verschwenden von Essen wird der gute Teil des Gedankens aber pervertiert, die Freiheit zur Verantwortungslosigkeit.
Wie aber lässt sich verhindern, dass immer mehr Essen in der Tonne landet? Die Suche nach Antworten führt zu Landwirten, Supermärkten und Menschen, die etwas verändern wollen.
Den vollständigen Artikel von Dorit Kowitz lest ihr in enorm Heft 04/14.
Fortsetzung
folgt in loser Reihe mit weiteren Gastbeiträgen aus den Zeitschriften “Wald”, “Werde”, info3 und “enorm”.
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