Archivbeitrag

Facebook – die Manipulationsmaschine?

Menschen zusammenzubringen auf einer globalen Community-Plattform – das könnte der Zweck von Facebook sein. Ist es aber nicht. Vielmehr will Facebook offensichtlich das Verhalten von Menschen manipulieren, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen und diese an Werbekunden zu verkaufen. Daraufhin ist alles optimiert. Mit Methoden, die nicht nur gegen geltendes Recht verstoßen, sondern auch völlig widersprüchlich zu unserem Wertesystem stehen. Es ist Zeit, darüber zu sprechen.

Die Ursprungsidee von Zuckerberg mag gut und sinnvoll gewesen sein. Das daraus entstandene Geschäftsmodell von Facebook führte jedoch schnell zum Aufbau einer Manipulationsmaschine: Durch psychologisch gestütztes Design sollen User abhängig gemacht werden. Überall lauern Trigger, die uns zu Facebook locken und uns zum Verweilen einladen. Wir vergeuden dort mehr Zeit, als wir eigentlich wollen, verdrängen, dass unser Verhalten analysiert und für weitere Manipulationen genutzt wird. Das macht Facebook zum Paradies für Werber. Diese können ganz gezielt persönliche Situationen auszunutzen, um ihre Produkte zu platzieren oder auch, um Wählerstimmen zu sammeln. Insofern bezeichnen wir Facebook als Manipulationsmaschine.

Derzeit wird Facebook wegen illegalen und halb legalen Praktiken kritisiert. Aus den Verlautbarungen von Facebook kann geschlossen werden, dass der Konzern daraus lernt und sein Verhalten anpasst, etwa, indem er mehr auf Datenschutz achtet. Aber selbst wenn der Konzern kein Gesetz mehr übertreten und die üblichen Steuern zahlen sollte: Sein Geschäftsmodell stellt er offensichtlich nicht in Frage. In dem kürzlich veröffentlichten Manifest von Mark Zuckerberg finden sich Versprechungen voll epischer Wucht („Ich denke, wir sollten auf eine Welt hinarbeiten, in der die Menschen privat sprechen und frei leben können, im Wissen, dass ihre Informationen nur von denen gesehen werden, von denen sie gesehen werden sollen, und dass sie nicht für immer verfügbar bleiben.“) Auf die drängendste Frage, wie er die Plattform dann künftig finanzieren möchte, findet man aber keine Antworten. Denn damit würde er seinen Unternehmenswert angreifen. Insofern steht Facebook für uns – unabhängig von seinen aktuellen Verlautbarungen – für die Manipulation unseres Verhaltens zur Steigerung seiner Rendite.

Innerer Widerspruch

Als GLS Bank befinden wir uns darum in einem inneren Widerspruch zu unseren Werten. Auch wir hatten gegen Ende 2017 testweise einige wenige Anzeigen geschaltet, verzichteten aber bewusst schnell wieder darauf. Aber unseren Account nutzen wir nach wie vor. Denn uns ist wichtig, dort ansprechbar zu sein, wo Menschen mit uns kommunizieren wollen. Gleichzeitig stellen wir gemeinsam mit einer wachsenden Öffentlichkeit fest, dass wir eine Plattform bräuchten, die darauf hin optimiert ist, Menschen zusammen zu bringen, nicht auf den Verkauf von Aufmerksamkeit. Mit futopolis.gls.de haben wir schon einmal damit angefangen und unsere eigene GLS Community mit hohem Anspruch an Datenschutz geschaffen. Es gibt auch andere Beispiele von dezentral organisierten Communities ohne primäre Gewinnerzielungsabsicht – leider erreichen sie mangels Masse nie die Relevanz von Facebook oder den dazu gehörigen Plattformen wie WhatsApp und Instagram. Sie sind daher für das Grundbedürfnis der Menschen, miteinander im Austausch zu sein und sich zu vernetzen, keine wirkliche Alternative.

Facebook – Zentral ist die Eigentumsfrage

Manche fordern eine „Zerschlagung“ von Facebook & Co. In erster Line geht es aber darum, innovative Formen zu erarbeiten, die dauerhaft Sinn machen. Wie können zentrale Infrastrukturen als Gemeingüter allen dienen, also nicht in erster Linie dem privaten Profit? Es könnte etwa um eine Beteiligung der Nutzer*innen an ihrer Plattform gehen, um eine Stiftung wie Mozilla.org (Firefox), um öffentlich-rechtliche Trägerschaften, treuhänderisches Eigentum, um Open Source, dezentrale Strukturen auf Basis von Blockchain und um Genossenschaften. Als GLS Bank können wir dazu einiges an Erfahrung von sozial-ökologischen Unternehmen beitragen, deren Eigentumsformen den Sinn in den Mittelpunkt stellen. Auch weitere Expertise und Querdenken sind dringend nötig.

Gedankenexperiment

Mal als Gedankenexperiment: Was für eine attraktive Plattform wäre Facebook, wenn das Unternehmen konsequent die Ursprungsidee weiterverfolgt hätte, nämlich Menschen zusammen zu bringen? Wenn es nicht in erster Linie um privaten Profit für wenige gehen würde, sondern um den Bedarf von Communities? Das Ergebnis ist schwer vorstellbar. Aber auf jeden Fall wäre eine solche Plattform für uns Nutzer*innen deutlich attraktiver als das Facebook, wie wir es heute kennen. Entsprechend groß und nachhaltig wäre die Reichweite und damit auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit. In solche Gedankenexperimente wollen wir mit Euch einsteigen. Nur Co-Kreativ kommen wir zu Ideen, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Mit diesem Blogpost eröffnen wir eine Serie von Positionierungen, Ideenskizzen und Diskussionen. Es sollen dabei alle Meinungen und Positionen zu Wort kommen. Wir wollen lernen, wie ihr, unsere Community, dazu steht, welche Bedeutung Facebook & Co. für euch hat – privat und für eure Unternehmen. Organisationen und Institutionen.

Wir wollen gemeinsam erarbeiten, wie eine Plattform aussehen und gestaltet sein muss, die allen Bedürfnissen gerecht wird und dabei in unser Wertesystem passt. Und wir wollen diskutieren, ob Facebook sich so verändern kann, dass wir alle, auch als GLS Bank, unsere Accounts behalten und den Mehrwert, den diese Plattform für uns alle bietet, weiter nutzen können. Dazu haben wir unten erste Links zusammengestellt. Lasst uns Facebook und andere Plattformen nutzen, um eine bessere digitale Welt zu schaffen. Dazu brauchen wir euer Engagement und eure Expertise!

Diskutiert mit uns hier im Blog, wir freuen uns auf eure/Ihre Kommentare!

 

Quellen/Links

Social-Media-Sucht / Am Haken (brandeins)
„Die Kritik an Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter wächst. Warum gelingt es vielen Nutzern trotzdem nicht, von ihnen zu lassen? Weil die Technik sie zu Süchtigen macht. Lässt sich das ändern?“
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/reset/social-media-sucht-am-haken

Facebook, die erste vernetzte Gefühlsmaschine (Sascha Lobo)
„Alle wesentlichen Probleme ergeben sich aus der Macht von Facebook, flächendeckend Emotionen auszulösen. Genau dafür ist Facebook gebaut, wie man schon an Standardreaktionen sieht: Like, Love, Haha, Wow, Sad, Angry.“
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-kolumne-was-facebook-wirklich-ist-a-1202360.html

You are the product!
Aral Balkan auf der re;publica zum Geschäftsmodell der Plattform-Konzerne und wozu dies hinsichtlich unserer digitalen Identitäten und ihrer Vermarktung führt.
https://www.zwentner.com/rp15-aral-balkan-beyond-the-camera-panopticon/

Center for humane technology
While companies have been upgrading technology, they’ve been downgrading humanity:
– Shortening our attention spans
– Rewarding outrage over dialogue
– Addicting our children
– Polarizing our democratic process
– Turning life into a competition for likes and shares
humanetech.com

What if Facebook were owned by its users?
Die Mozilla Foundation zur Platform Coop-Bewegung als möglicher Lösungsansatz:
https://internethealthreport.org/2019/what-if-facebook-were-owned-by-its-users/

GLS Bank – Podcast // Folge 25 – Digitale Bürgerrechte & Facebook

Weitere Beiträge zum Thema Medienkompetenz hier.

Foto: Glen Carrie

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48 Antworten zu „Facebook – die Manipulationsmaschine?“

  1. Avatar von Keith
    Keith

    Danke für den Bericht 🙂

  2. Avatar von Peter Hakenberg
    Peter Hakenberg

    Es ist das „Faustische“ an facebook!
    Die uralte Frage danach, wie sehr man sich auf Sachen einlässt die Faktum sind und ob wie man sich dazu stellt:
    1. quasi volle Akzeptanz
    2. ein (wie auch immer gearteter) Kompromiss
    3. vollständige Ablehnung
    Bei 1. und 3. ist das eigene Verhalten einfach, aber wie kann im Sinne der Werte der GLS der Kompromiss aussehen?
    Was die GLS macht erscheint mir richtig: nicht mitspielen wenn es um Werbung geht oder das abseitige Treiben von Facebook – aber zumindest da sein wenn es darum geht im Sinne der eigenen Werte zu überzeugen.

  3. Avatar von Max
    Max

    Nur zur Erinnerung…alle heutigen dominierenden Internetkonzerne waren in ihrer Anfangsphase auf der Suche nach Geschäftsmodellen, die in späteren Zeiten Gewinne abwerfen. Nicht umsonst wird Risikokapital in solche Startups investiert, um dann später bei einem Börsengang entsprechende Gewinne einstreichen zu können.
    Die ursprünglichen Ziele, Freunde zu vernetzen, die beste Suchmaschine anzubieten oder das beste Kundenerlebnis beim Onlineshoppen zu bieten, hat bei keinem der Startups für wirklich große Gewinne gesorgt, die aber spätestens mit dem Börsengang geliefert werden müssen.
    Aus dieser Situation heraus wurden Prozesse implementiert, die den Menschen, der die Plattformen nutzt, analysiert..profiliert und gläsern macht, damit daraus neue Geschäftsmodelle abgeleitet werden können. Dieses Methoden wurden in den letzten 10 Jahren insbesondere durch die mobile Nutzung des Intenets massiv ausgebaut.
    Mit diesem Methoden und den daraus entstandenen Möglichkeiten werden heute die immensen Gewinne eingefahren.
    In der aktuellen Stufe mit dem Hype Thema -Digitalisierung- werden naezu alle Bereiche des Lebens durch die Konzerne in die Überwachung mit einbezogen. Im Auto über Kartenapps, im Haus über Smarthome, inbesondere auch durch Sprachsteuerung, die in jeder Situation in der Lage ist, tiefe Analysen des Benutzers durchzuführen. Warum verteilt ein Fahrzeughersteller bspw. ein OBD2 Interface kostenlos für seine Fahrzeuge bis ins Jahr 2002 zurück? Um den Kunden glücklich zumachen oder um über die zugehörige App sein „Ziel“ komplett gläsern zu machen? Bei Fahrzeugherstellern hat es doch noch nie etwas umsonst gegeben, oder?
    Es stellt sich nicht die Frage, ob man Facebook und Co. verbessern kann. Dies wird niemals geschehen, so lange Finanzinteressen dahinter stehen. Es gibt nur die Möglichkeit, sich dem möglichst zu entziehen oder es gibt irgendwann tatsächlich Plattformen, die nicht profitorientiert sind und damit dem Menschen wirklich dienen.

    1. Avatar von Birgit Wilhelm
      Birgit Wilhelm

      Dieser Analyse von Max kann ich nur zustimmen. Aus meiner Sicht müsste die GLS Bank (sowie alle anderen Kunden auch) von Facebook verlangen, die Einnahmen offen zulegen, die diese durch die Daten von GLS-Bankkunden erwirtschaften. Sowie auch die Namen der Firmen, an die diese Daten weitergegeben werden. Dann kann die GLS Bank und ihre Mitglieder/Kunden tatsächlich abschätzen, ob dieser „Mehrwert“ für die GLS Bank, der durch die Kommunikation über facebook entsteht, es tatsächlich „wert“ ist. Oder wer hier eigentlich das Geschäft macht.
      Das System ist in keinster Weise transparent und widerspricht (wie hier schon von einigen Kommentaren verdeutlich) der Freiheit und Würde jedes einzelnen Menschen. Eine Bank, wie die GLS-Bank, die sich auf die Fahnen schreibt verantwortungsvoll und nachhaltig mit Geld umzugehen, unterstützt mit der Verwendung von facebook, ebensolche Geschäftsmodelle für die sie eigentlich Alternativen anbieten möchte. Aus meiner Sicht ist dies sehr schwer miteinander zu vereinbaren.

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