Wie eigennützig sind die Teilnehmer dieses Experiments? Wo verläuft in unserem Alltag die Grenze zwischen Eigennutz und Gemeinsinn? Eine Grenzziehung gestaltet sich schwierig…
Das Experiment
„Willst du einen Euro haben? Ich schenke ihn dir!“, wer würde da schon nein sagen? Doch wie würde die Antwort auf die Frage lauten „Willst du einen Euro haben? Ich habe soeben 100 Euro geschenkt bekommen, aber ich darf das Geld nur behalten, wenn ich dir einen Teil abgebe und du das Angebot annimmst“?
Natürlich ist das eine sehr theoretische Frage, die vermutlich niemandem so gestellt werden wird. Doch genau auf dieser Frage beruht ein Experiment, das unter dem Namen „Ultimatumspiel“ oder „Vertrauensspiel“ bekannt wurde. Dabei wurden einem Teilnehmer A eben jene 100 Geldeinheiten angeboten, verbunden mit der Aufgabe, einen nicht festgelegten Teil davon Teilnehmer B anzubieten. Nimmt B das Angebot an, erhalten beide ihren Anteil, lehnt B ab, gehen beide leer aus.
Dieses Experiment aus der experimentellen Wirtschaftsforschung sollte untersuchen, inwiefern sich die Teilnehmer individuell Nutzen maximierend verhalten, also wie sehr die Teilnehmer gemäß den Annahmen des homo oeconomicus handeln. Dieses Akteursmodell ist Grundlage vieler wirtschaftswissenschaftlicher Theorien und beschreibt den Menschen u.a. als rein rational handelnd und nur an seinem eigenen Nutzen interessiert.
Verblüffendes Ergebnis
Doch wie verhalten sich die Versuchsteilnehmer tatsächlich? Handeln sie gemäß der Annahme, so gibt Teilnehmer A genau eine Geldeinheit ab – er behält so viel wie möglich – und Teilnehmer B nimmt jedes Angebot an, denn selbst eine Geldeinheit ist besser als nichts. So die Theorie.
In der Praxis zeigten sich andere Ergebnisse. So offenbarte sich in einer Versuchsreihe, in der 100 Dollar zu verteilen waren, dass kein Teilnehmer nur einen Dollar anbot. Vielmehr wurde in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sogar die Hälfte der Summe angeboten. Außerdem wurden von den Teilnehmern der Gruppe B relativ geringe Angebote regelmäßig abgelehnt, weil sie lieber leer ausgingen als sich ungerecht behandelt zu wissen.
Die Theorie lag also mit ihren Vorhersagen falsch. Von rein eigennützigem Verhalten kann nach diesen Ergebnissen nicht gesprochen werden. Vielmehr beweist das Experiment, dass neben der Nutzenmaximierung auch andere Faktoren die Entscheidung beeinflussen – wie das Gerechtigkeitsgefühl der Mitspieler.
Der neue Trend zur Selbstlosigkeit?
Muss jetzt die gesamte Wirtschaftstheorie „über den Haufen geworfen werden“ oder handeln wir in den meisten Situationen nicht doch eigennützig? War es denn nicht die Jagd nach der höchsten Rendite, ohne Rücksicht auf Verluste der „Mitspieler“, die zur derzeitigen Finanzkrise geführt hat? Noch scheint der Preis und das Abwägen von Kosten und Nutzen bei den meisten wirtschaftlichen Entscheidungen die größere Rolle zu spielen.
Der Trend zur Berücksichtigung von „weichen Faktoren“ bei Kaufentscheidungen, wie z. B. beim „fair trade“, ist aber nicht zu übersehen. Und ist die Berücksichtigung der Folgen von (Kauf-)entscheidungen etwa nicht eigennützig? Nichtsdestotrotz werden die größeren Käuferschichten über den Preis und verlockende Rabatte gelenkt, wie es ganz aktuell der Erfolg der „Abwrackprämie“ zeigt. Geiz ist geil und der eigene Vorteil das höchste Gut – oder doch nicht? Wie seht Ihr das?
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