Design oder Nicht-Sein – Gastbeitrag vom Wirtschaftsmagazin enorm

Angesichts der drohenden ökologischen Katastrophe entdecken immer mehr Gestalter ihre Verantwortung und entwickeln umweltfreundliche Alternativen zur herkömmlichen Produktion. Einigen genügt das nicht: Sie rufen nach einer Designrevolution für eine bessere Welt.

 

Kurzfassung

Helge, ein 46-jähriger Soldat aus Berlin-Spandau, war der erste. Sechs Tage und Nächte hatte er vor dem Apple Store auf dem Ku’Damm campiert, um sein iPhone 6 am ersten Verkaufstag wie im Triumphzug an den anderen tausenden Wartenden vorbei tragen zu können. Auf der 5th Avenue in New York reichte die Schlange zwölf Straßenecken. Die besten Warteplätze wurden für 2500 Dollar verkauft. Im australischen Perth schließlich war der 18-jährige Jack so aufgeregt, dass ihm das frisch gekaufte iPhone 6 vor laufenden Fernsehkameras aus der Hand rutschte und zerbrach. Wahrscheinlich hat er sich gleich wieder hinten angestellt, um beim Rum auf das iPhone 7 noch einmal ganz vorne mit dabei zu sein.

Natürlich ist das alles Wahnsinn. In der Nacht vor Helges Triumph hatten hunderte Displays von Mac-books, iPads und iPhones den nieselnassen Ku’Damm erleuchtet. Und allen, die da auf ihre Bildschirm starrten, war eines gemeinsam: Keiner von ihnen „brauchte“ wirklich ein neues iPhone. Sie alle besaßen ja noch (mindestens) eins, das funktioniert. Und war nicht genau dieses Teil neulich erst das spektakulärste, schönste, schnellste aller Zeiten gewesen? Nein, eigentlich „braucht“ niemand schon wieder ein neues. Man braucht auch keinen Espresso in quietschbunten Aluminiumkapseln, bei denen man hochgerechnet 60 Euro für das Kilogramm Kaffee bezahlt. Oder einen Geländewagen für die Tempo-30-Zonen der Großstadt. Oder das siebte Herbstkleid, das zwölfte Paar stylische Sneakers.

Design verführt. Die besten Gestalter der Welt treiben das „Haben! Wollen!“ in unsere Hirne wie Crack: Die perfekt gestalteten Nespresso-Boutiquen, die den Kaffeekapselverkäufern das Gefühl verleihen, einem exklusiven Zirkel von Genießern anzugehören, in dem alle Männer so aussehen wie George Clooney. Der Kick, den einem das kleine Detail am neuen Mantel von Zara verschafft. Das Behagen, wenn sich das neue Tablet so leicht bedienen lässt, als wäre es für einen ganz persönlich gemacht. Einst symbolisierte das Wort Design für viele noch die pure Oberflächlichkeit. Ein Kampfbegriff aus den Achtzigern, als aufgeblasene Typen auf ihren „Designersofas“ „Designercocktails“ schlürften und von „Designermode“ schwätzten. Doch Design umfasst längst mehr – die planerische Gestaltung von Produkten und Prozessen, die Auseinandersetzung mit Funktionen und Nutzung. Ein Denksystem mit dem Potenzial, die Welt zu verbessern. Oder sie zu zerstören.

Designer wären aufgrund ihrer ganzheitlichen Herangehensweise am ehesten dazu geeignet, auf jede einzelne Stufe des Produktionsprozesses einzuwirken, von der Planung bis zur möglichen Wiederverwertung. Laut einer EU-Studie ließen sich 80 Prozent aller Umweltauswirkungen eines Produktes durch den Design-Prozess steuern: Welche Materialien sollen verwendet werden? Wie und wo werden sie gewonnen? Jede einzelne gestalterische Entscheidung definiert die Verantwortung des Designers für die Folgen seines Tuns.

„Um ein ökologisches Desaster zu vermeiden, ist die gesamte Konsumideologie in Einklang mit der natürlichen Umwelt zu bringen“, heißt es zum Beispiel im Kodex des Verbandes Deutscher Industriedesigner (VDID). Die Allianz deutscher Designer (AGD) verpflichtet sich in ihrer Nachhaltigkeitscharta, „energiesparende Produktionsweisen anzustreben, den Verbrauch natürlicher Ressourcen einzuschränken, bei der Beratung der Kunden auf ein möglichst umweltschonendes und sozial vertretbares Design sowie ressourcenschonende Produktionsweisen und Materialien hinzuwirken.“ An guten Vorsätzen fehlt es also nicht. Bisher werden Industrie- und Produktdesigner in den meisten Branchen jedoch erst sehr spät in die Planung miteinbezogen. Material- und Marketingausgaben stehen dann oft schon unverrückbar fest. Einige Konzerne beginnen allerdings bereits, umzudenken.

Den vollständigen Beitrag von enorm-Autor Fred Grimm lest ihr in enorm Heft 05/2014.

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Fortsetzung

folgt in loser Reihe mit weiteren Gastbeiträgen aus den Zeitschriften “Wald”, “Werde”, info3 und “enorm”.

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Eine Antwort zu „Design oder Nicht-Sein – Gastbeitrag vom Wirtschaftsmagazin enorm“

  1. Avatar von Oliver Schuh

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    Endlich!
    Endlich möchte ich sagen, sprechen auch Institutionen mit größerer Strahlkraft aus, was klar auf der Hand liegt. Die größte Stellschraube im gesamten Produktzyklus im Hinblick auf Nachhaltigkeit liegt natürlich am Anfang. Idee, Konzeption, Beratung, Gestaltung, Design. – Alle nachgeordneten (technischen, materiellen) Prozesse sind da viel weiter als die Designer selbst. Zur Zeit sehe ich leider überhaupt keine – und da widerspreche ich dem Autor – signifikante Bewegung der Designer zu nachhaltiger Denkweise.
    Als ehemaliges AGD Vorstandsmitglied und Treiber des Themas Nachhaltiges Design darf ich mir ein Urteil erlauben.
    Es gibt aber einen Silberstreif am Horizont. Allerdings wird dieser nicht etwa von den Designern selbst ausgelöst, sondern wird Gestalter zukünftig in Zugzwang setzen.
    Z.B. im Bereich Medienproduktion. Hier organisieren sich seit Jahren Auftraggeber, Medienproduktioner, Hersteller und (Druck-)Dienstleister in der Brancheninitiative Media Mundo. Als Media Mundo Beirat halte ich dort das zarte Fähnchen der Designer hoch. Ich wünschte mir, es würden mehr Designer erkennen, daß nur der Schulterschluß aller Gewerke, das Reden miteinander zu nachhaltigeren Lösungen führt.
    Stimmen zum gerade erfolgreich durchgeführtem 5. Media Mundo Kongress und die sehr guten Vorträge zum Download finden sich hier: http://www.mediamundo.biz/kongress/rueckblick2014

    Und wer weiß, vielleicht sehen wir die GLS Bank im nächsten Jahr auf dem Media Mundo Kongress Numero 6.

    Besten Dank für diesen Beitrag und Gruß vom Elbstrand
    Oliver Schuh | die gebrauchsgrafiker

    P.S. schön wäre ein Link zur EU Studie

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