Christian Fischer hat für die GLS Blog-Kooperative über das Kulturquartier Münster gebloggt.
Ganz am Anfang stand der Wunsch, als Musiker nicht in dunklen, feuchten Kellerräumen zu arbeiten und zu unterrichten, sondern an einem etwas inspirierenderen Ort, erzählt Thomas Grollmus vom Kulturquartier Münster.
Ich bin für die GLS-Blog-Kooperative nach Münster zu einem Unterstützertreffen des Kulturquartiers gefahren. Und nicht nur, weil auch ich viele Jahre in solchen nassen Kellern verbracht habe, kann ich diesen Wunsch sehr gut verstehen.
Vor etwa acht Jahren kam Thomas nach Münster und begann bald, etwas zu verändern – und das schnell nicht nur für sich und seine eigene Arbeit.
Denn als er Räume suchte, da fand er Menschen. Menschen die seine Ideen von Zusammenarbeit und zusammen-arbeiten teilten. In der halle.8 entstand ein Ort für Musiker, und Chöre, für Tanz und Yoga; ein Raum der schnell mehr war als ein zufällig gemeinsamer Ort zum Proben.
Ende 2014 aber wurde die Halle verkauft und sie mussten raus.
Als ich das bei meiner Vorbereitung auf das Treffen las, zweifelte ich: Was will ich denn da berichten, was kann man mir denn da wohl zeigen?
Thomas lud mich zum Unterstützertreffen ein. Die Kulturinitiative hat nach dem Verlust des Zuhauses nicht zurückgesteckt, sondern erst richtig losgelegt: Zu acht haben sie eine GmbH gegründet, treffen sich alle mindestens einmal die Woche. Alle vier Wochen gibt es eine offenen Kreis für alle die, die sich vorstellen zu können in irgendeiner Art und Weise dabei zu sein.
Die acht sind bunt zusammengewürfelt, neben der Percussionistin und der Sängerin gibt es Pädagogen, finden sich Designer, Projektmanager, Architekten.
Sie haben ein Grundstück gekauft und planen gerade, das Kulturquartier darauf zu bauen. Ein Haus der Begegnung, der Kultur und der Kreativität soll es sein, ein Ort an dem es nicht primär um den Kommerz gehen soll – auch wenn sich der Betrieb selbst tragen soll. Ein Ort mit Garten und eigener Energieversorgung, ein Platz für Kreative und Künstler, Pädagogen und Therapeuten, ein Ort für Ökologie und Generationen-verbindende Bildung.
Um das alles auch langfristig am Leben zu erhalten wird es eine Stiftung geben, so dass Gewinne direkt wieder dem Projekt zu Gute kommen werden.
Und als die acht sich den interessierten Gästen vorstellen, da merke ich: Ich habe eigentlich Glück gehabt, dass es gerade kein Räume zum Fotografieren gibt. Denn wenn ich diesen achten zuhöre, dann verstehe ich viel mehr von der Idee des Kulturquartiers. Ihre Idee wird getragen von den Ideen derer, die mitmachen. Vom Idealismus, von der Ahnung, dass es auch anders gehen muss.
Die Energie steckt an.
„Das Leben ist so viel von Arbeit geprägt, dass ich es als ein Geschenk empfinde an einem Ort zu arbeiten, wo die Arbeit sich so anfühlt, wie das ganze Leben sich anfühlen soll”, sagt Simon, als sie sich vorstellt. Und man sieht in den Augen aller, die schon in der halle.8 dabei waren, das sie das dort auch so erlebt haben.
Der Architekt ist da und präsentiert an diesem Abend neue Pläne, wie das Quartier aussehen wird. Das Grundstück liegt in einem Industriegebiet im Norden Münsters und es wird, so wie es aussieht eine kleine grüne Oase werden. Mit solarthermischer Heizung, mit Regenwasserspeicher und einer eigenen Stromversorgung. Der Garten wird als Permakulturgarten (1) angelegt und damit als naturnahes Firmengelände ganz nebenbei eines von wenigen Pilotprojekten deutschlandweit.
Genau, denke ich: Wenn man etwas macht, warum dann nicht gleich richtig?
Und ich merke: Das sind große Pläne – aber die acht haben sich alles sehr konkret überlegt und sie meinen es ernst. Spätestens als ich erfahre: Am vierten Oktober ist Eröffnung – und das, obwohl auf dem Grundstück heute noch nichts als Wiese zu sehen ist. Aber sie wissen:„Wenn wir erst eröffnen, wenn wir fertig sind, dann werden wir nie fertig. Und wir wissen doch vom Messebau oder von Produktpräsentationen: Wenn es eine Deadline gibt, dann ist man da halt irgendwie fertig.”
Ich erinnere mich an einige Runden, in denen ich selbst mit anderen an alternativen Ideen und Konzepten „herumgesponnen“ habe und aus denen oft nichts wurde. Das hier wird was.
Neben dem Team sitzen an diesem Abend noch circa zehn Interessierte um den Tisch. Eine erzählt, sie würde „irgendwie gerne mitmachen”, sie wäre zwar jetzt keine Künstlerin, aber sie könne anpacken, habe halt seit drei Jahren ein Café und dann noch eine pädagogische Ausbildung. Ob sie wohl mitmachen dürfe?
Und es beschreibt die Stimmung wahrscheinlich am besten, als Simon mir hinterher sagt:„Ich habe gar nicht verstanden, warum die fragt – eigentlich müssten wir sie fragen. Die kann doch so viel und ich bin so dankbar über all diese Menschen.”
Ziemlich beeindruckt fahre ich später wieder nach Hause. Ein paar Tage später sehe ich mir noch die Open Stage an und freue mich schon sehr darauf, am 4.10. zur Eröffnung zu fahren. Ich weiß, da wird etwas auf der grünen Wiese stehen.
(1) Zitat: Permakultur bildet den Oberbegriff für die Entwicklung und Umsetzung von ethisch basierten Leitsätzen zur Planung, Gestaltung und Erhaltung zukunftsfähiger Lebensräume. Schwerpunkte bilden dabei die Nahrungsproduktion, die Energieversorgung, die Landschaftsplanung und die Kreation nachhaltiger Gemeinschaften. Quelle und mehr Infos hier
Christian Fischer
Christian Fischer ist selbstständiger Webworker, Blogger, Katzenheini, Bassist, Jazz-Hörer und Gelegenheitsfotograf – nicht unbedingt immer in dieser Reihenfolge. Ein paar Jahre in der LAG Netzpolitik der Grünen NRW sowie viele Jahre im Web qualifizieren ihn außerdem zum Vermittler zwischen Internetausdrucker und Online-Welt – und das immer wieder gerne.
Fotos: Copyright Christian Fischer
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jawl.net ist Christian Fischers Blog.
berlinmittemom.com bloggte für #glskoop über das Geburtshaus Charlottenburg
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