Die Krautreporter machen Journalismus für und mit ihren Lesern. Jetzt wollen sie ihren Lesern gehören. Warum erklärt Chefredakteur Alexander von Streit im Gastbeitrag.
Wir haben ein Problem. Jahrzehntelang haben Tageszeitungen, Magazine, Fernsehen und Radio unseren Medienalltag bestimmt. Dies waren die Orte, an denen Journalismus stattfand. Die Orte, an denen wir uns informieren konnten. Doch die Digitalisierung verändert unsere Medienlandschaft gerade nachhaltig. Schon jetzt ist alles anders. Noch nie konnten wir auf eine solche Fülle an Informationen zurückgreifen wie heute. Das ist erst einmal passend für eine Gesellschaft, die immer komplizierter wird.
Doch die Tatsache, dass digitale Kanäle für die Verbreitung journalistischer Inhalte immer wichtiger werden, hat eine Kehrseite: Online-Medien finanzieren sich in der Regel über Werbung. Sie brauchen große Reichweiten, jeder Klick zählt.
Der Journalismus wird dadurch kurzatmiger, schneller, boulevardesker – denn vor allem was schnell Aufmerksamkeit erregt, wird beachtet. Dadurch geht etwas verloren. Nämlich die nötige Zeit, Zusammenhänge zu zeigen. Zu erklären, was hinter den schnellen Nachrichten steht. Das muss sich ändern.
Deswegen haben wir vor einem Jahr Krautreporter gegründet, ein unabhängiges Online-Magazin, das sich nur durch seine Mitglieder finanziert. Unsere Idee, Journalismus als Gemeinschaftsprojekt mit seinen Lesern zu verstehen, stieß auf große Resonanz. Das Crowdfunding fand über 15.000 zahlende Unterstützer, die diese Vision wirklich machen wollten. Es hat gezeigt, dass es Bedarf für einen Journalismus gibt, der sich nur seinen Lesern verpflichtet fühlt.
Hunderte Geschichten sind inzwischen bei Krautreporter erschienen. Wichtige Texte, wie zum Beispiel ein ausführliches Erklärstück zum Krieg in Syrien, Themenwochen zur Griechenland-Krise oder der Zukunft von Atomwaffen. Außerdem unzählige Beiträge und Analysen über Flüchtlinge, die den Menschen eine Stimme geben, die davon betroffen sind.
Newsletter wie die beliebte Morgenpost informieren über wichtige Themen des Tages, Podcasts geben Einblick in die Arbeit der Redaktion. Und bei vielen Geschichten arbeiten wir eng mit unseren Lesern zusammen. Wir informieren sie schon im Vorfeld über unsere Recherchen und diskutieren darüber mit ihnen. Neuer Journalismus für eine neue Zeit.
Nun befinden wir uns im zweiten Jahr. Und wir arbeiten daran, unser Magazin zu einer dauerhaften Institution in der Medienlandschaft zu machen. Bei unserer Gründung haben wir versprochen: Krautreporter soll seinen Lesern gehören. Darum haben wir im Sommer damit begonnen, das Magazin in eine Genossenschaft zu überführen. Über 230 Mitglieder haben sich bisher dazu entschlossen, fast 76.000 Euro in unsere Idee zu investieren. Gemeinsam schaffen wir so das Fundament für einen Journalismus, der Orientierung bietet und die Berichterstattung der anderen Angebote ergänzt – nicht ersetzt.
Eine Genossenschaft ist eine Unternehmensform, die sich besonders gut mit diesem Ziel verbinden lässt. Sie sichert unser gemeinsames Projekt finanziell ab, die Mitglieder bestimmen über die Zukunft und die Strategie mit. Jeder hat eine Stimme in der Generalversammlung und wählt den Aufsichtsrat, der den Vorstand bestellt. Alle werden Mit-Herausgeber eines digitalen Magazins. Trotzdem hat jeder von uns aber – unabhängig von der Investition – nur eine Stimme. Mehr Geld bedeutet also nicht mehr Einfluss. Ein ideales Modell für unabhängigen Journalismus und die, die ihn fördern wollen.
Dabei ist ein Anteil an der Krautreporter-Genossenschaft aber noch mehr. Es schafft die Möglichkeit, Teilhaber an einem stabil wachsenden Unternehmen zu werden. Wir haben im vergangenen Jahr bewiesen, dass tausenden Menschen unabhängige, werbefreie Berichterstattung über die Zusammenhänge in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Geld wert ist. Täglich kommen neue Mitglieder dazu. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Krautreporter mit seinem neuen Geschäftsmodell ein etabliertes Medienunternehmen sein wird und Rendite erwirtschaftet.
Eine freie Gesellschaft braucht unabhängigen Journalismus. Gemeinsam können wir ihn ermöglichen. Es lohnt sich!
——-
Informationen zur Krautreporter-Genossenschaft, Antworten auf die wichtigsten Fragen sowie Beitrittsunterlagen gibt es auf der Homepage der Genossenschaft.
Alexander von Streit ist Mitgründer und Chefredakteur von Krautreporter. Er beschäftigt sich bereits seit Jahren mit den Veränderungen im Journalismus – unter anderem als Mitgründer des gemeinnützigen Medien-Think-Tanks vocer.
Fotos: Frank Suffert, Krautreporter
Schreibe einen Kommentar