Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Und immer mehr Kommunen stehen vor der großen Frage: Wo können diese Menschen wohnen? „Gerade in Berlin stellt sich diese Frage besonders intensiv. Es ist halt die Hauptstadt und viele Menschen kommen her, weil sie auf Angebote treffen, die es woanders nicht gibt“, erzählt Susan Hermenau. Die junge Frau leitet selbst eine Flüchtlingsunterkunft der PRISOD Wohnheimbetriebs GmbH in Berlin. Gefragt nach dem besonderen Konzept der Prisod erklärt sie: „Wir haben uns einfach gedacht, dass das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Der Staat bezahlt das zwar, aber der Staat sind wir alle. Es sind ja unsere Steuergelder.“ Und so werden bei Prisod wirklich alle Parteien mit einbezogen. Die Nachbarschaft, der Bezirk, die Politiker, die Flüchtlinge selbst, die Mitarbeiter. Hier geht es nicht um bloße Fälle, um Unterbringung nach dem Motto „Aus dem Auge aus dem Sinn“.
„Wir setzen ganz fest darauf, dass sich viele Probleme auflösen, wenn man mit den Menschen spricht, in Kontakt kommt“, bestärkt Hermenau. Bewusst veranstaltet die Prisod schon bei der Entstehung von neuen Unterkünften Bürgerabende. „Wenn ich dann vor Ort bin, kommen meist ganz einfache Fragen. Sachen wie Lärmschutz, oder ob dann immer gegrillt wird. Darauf antworte ich und damit sind die allermeisten auch schon beruhigt“, weiß Hermenau. Doch damit fängt die kontinuierliche Nachbarschaftsarbeit erst an. Es gibt für alle Anwohner die Möglichkeit, sich in einer Telefonsprechstunde zu melden und über mögliche Irritationen auszutauschen. Viel wichtiger sind aber Veranstaltungen, in denen direkte Begegnung möglich wird. „Wir laden die Nachbarn in die fertigen Häuser ein, machen Nachbarschaftsveranstaltungen. Wir finden, Integration muss von beiden Seiten ausgehen, “ meint Hermenau. Einerseits sollen so die möglichen Vorurteile von Anwohnern als auch von Flüchtlingen abgebaut werden. Andererseits sollen die Flüchtlinge so aus der Isolation herauskommen. Auch wenn ihr Status und ihr Bleiben in Deutschland noch unklar sind, soll ihr Leben nicht in der Warteschleife verbleiben.
In Berlin mangelt es an geeigneten Unterkünften. Die Prisod hat in den letzten Monaten mehrere Anfragen des Landes umgesetzt und Notunterkünfte eröffnet. Ein Projekt mit voll ausgestatteten Appartements soll Ende des Jahres in Spandau eröffnet werden – die GLS Bank wird es mitfinanzieren.
„Wir waren auf der Suche nach einem Finanzierungspartner, der die Dinge ähnlich sieht wie wir. Der auch das Soziale im Auge hat und nicht die bloßen Zahlen“, berichtet Susan Hermenau. In den Unterkünften der Prisod wird genau darauf Wert gelegt und daher hat sich die GLS Bank für eine Finanzierung entschieden. Die Flüchtlinge wohnen hier in Single-Appartements oder Wohnungen für Familien, die mit hochwertigen Möbeln eingerichtet sind. Sollten die Zimmer einmal nicht mehr für Flüchtlinge gebraucht werden, können die Gebäude in Studentenwohnheime umfunktioniert werden.
„Besonders wichtig ist uns aber der Teil, in dem es um das Zusammenleben geht, um Identifikation mit dem neuen Wohnort“, erklärt Susan Hermenau. So werden an jedem Standort zum Beispiel gemeinsame Sommerfeste oder Weihnachtsfeiern angeboten, es gibt Fußballtrainings oder Deutschkurse. Die Bewohner werden sowohl psycho-sozial als auch juristisch beraten und ausgebildete Sozialarbeiter sind immer vor Ort. „Zum Glück sind alle unsere Mitarbeiter sehr engagiert“, weiß Hermenau den Einsatz zu schätzen. Denn nicht nur für die Flüchtlinge, auch für die Mitarbeiter ist die Situation anstrengend. Während manche Bewohner vielleicht nur 14 Tage da sind, bleiben andere ein ganzes Jahr; vieles hängt von den Behörden und Gesetzen ab und liegt nicht im Einflussbereich der Mitarbeiter. „Letzte Woche hatten wir zum Beispiel die Abschiebung eines jungen Syrers. Ein 19-jähriger, der zurück nach Ungarn musste, weil er dort zuerst in die EU gekommen war. Ein sogenanntes Dublin II-Verfahren. „Natürlich geht es mir schlecht, wenn ich an ihn denke, mich hineinversetze in diesen jungen Menschen, der allein einen so weiten Weg hinter sich gebracht hat und jetzt in Ungarn in Haft sitzt. Denn dort werden Flüchtlinge zunächst einmal inhaftiert.“ – Gefragt wie sie solche Gedanken verarbeiten, den verbleibenden Bewohnern trotzdem Kraft und Unterstützung spenden kann, meint sie: „Auf viele Dinge haben wir eben keinen Einfluss. Umso wichtiger ist es, dass wir die Dinge bewegen, die wir beeinflussen können. Und das ist vor allem das Miteinander.“
Fotos: Prisod Wohnheimbetriebs GmbH
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