Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag. Weltweit leben etwa 35 Millionen Menschen mit HIV, 80.000 davon in Deutschland. Rund 2,1 Millionen kommen pro Jahr dazu.Noch lange haben nicht alle Zugang zu den lebensnotwendigen Medikamenten. Und noch immer erleben Betroffene Ausgrenzung und Stigmatisierung.
Wir sprachen mit Florian Beger von der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. über die Arbeit des Vereins. Neben Prävention durch Aufklärung zu Safer Use von Drogen und zu Safer Sex bietet der Verein Beratung, Betreuung und Wohngruppen für Betroffene. Die AIDS-Hilfe ist langjährige GLS Kundin.
Die AIDS-Hilfe Frankfurt gibt es seit fast 30 Jahren. Wie hat sich die Arbeit in dieser Zeit verändert?
In unserem Gründungsjahr 1985 war die Situation völlig anders. Damals war AIDS ein Todesurteil. Dank der medizinischen Fortschritte lassen sich HIV und Aids heute viel besser behandeln, auch wenn es keine Heilung gibt. Das macht unsere Arbeit einerseits leichter, denn wir können Menschen, die sich neu infiziert haben, sagen, dass sie bei guter Therapie eine normale Lebenserwartung haben. Andererseits erschwert das aber die Prävention, denn die Krankheit hat ihre Todesdrohung verloren. Zur Bagatellisierung besteht allerdings kein Anlass, denn wir wissen nicht, welche Spätfolgen bei HIV Positiven durch die Behandlung noch auftreten werden.
Bekannte gesundheitliche Einschränkungen sind z.B. chronische Müdigkeit bei 80% der Betroffenen. Viele HIV Positive werden sozial ausgegrenzt und erleben Stigmatisierung, sogar im Gesundheitswesen, wo man einen höheren Wissensstand über die Erkrankung und ihre Übertragungswege und einen sensibleren Umgang erwarten sollte. So gibt es immer wieder Menschen, die nicht mehr infektiös sind, die aber keinen Zahnarzt finden, der sie behandeln würde. Die AIDS-Hilfen können dann einzelne Ärzte vermitteln, aber es sind ja nicht alle Betroffenen in unserer psychosozialen Begleitung. Viele sind auf sich allein gestellt.
Welche Erfolge und Fortschritte gab es in Frankfurt?
Nun, bei uns wird heiß diskutiert, ob wir uns im Jubiläumsjahr auch freuen dürfen. Viele sagen: „Wir freuen uns, wenn die Krankheit besiegt ist.“ Aber es gibt eben auch Erfolge: In Frankfurt wird seit Jahrzehnten Solidarität gelebt. Viele Betroffene engagieren sich selbst in der AIDS-Hilfe. Wir können sehr viel Gemeinsinn organisieren, von Unternehmen und von Einzelpersonen. So waren in diesem Jahr beim „Lauf für mehr Zeit“ 3.800 Läuferinnen und Läufer dabei: Es handelt sich um einen Sponsorenlauf, die Läufer haben insgesamt 155.000 Euro Spendengeld mobilisiert.
Und es gibt Verbesserungen in der Drogenpolitik hin zur akzeptanzorientierten Drogenhilfe und hin zu niedrigschwelligen Hilfen. Die Zahl der Drogentoten in Frankfurt ist im Vergleich zu den 1980er Jahren stark zurückgegangen, was mit den Bedingungen des Drogenkonsums, etwa in Druckräumen oder im Rahmen der Modellstudie Heroinvergabe, zusammenhängt.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in der nächsten Zeit?
Die Zahl der Neuinfektionen bleibt stabil, aber es gibt sie noch. Die Kenntnis des eigenen Krankheitsstatus macht einen erheblichen Anteil der Prävention aus. Das Robert Koch Institut geht von rund 14.000 Menschen in Deutschland aus, die nicht wissen, dass sie infiziert sind. Unsere Erfahrung ist, dass in den Hauptbetroffenengruppen, insbesondere in der schwulen Community, das Testangebot sehr breit angenommen wird.
Beim sexuellen Übertragungsweg wiederum verändert sich das Verhalten mit dem Alter der Betroffenen. Wir müssen uns fragen: Wie erreichen wir junge Leute? Ist die individuelle Prävention mit Kondom weiterhin zeitgemäß? Könnte eine Präventionsstrategie auch darin liegen, dass man den eigenen HIV Status kennt und mehr mit seinen Partnern darüber spricht?
Außerdem müssen wir wieder stärker politisch tätig werden. Es ist zwar eine gewisse gesellschaftliche Offenheit erreicht, aber es gibt schon wieder Forderungen danach, dass es jetzt damit reicht. Das zeigen auch die Diskussionen darüber, ob das Thema unterschiedliche Lebensformen auf dem Lehrplan stehen sollte.
Was bräuchten Sie, damit Sie Ihre Ziele schneller erreichen?
Zusätzliche Geldmittel können wir immer gut verwenden: Denn es gibt immer Projekte, die nicht umgesetzt werden können. Zum Beispiel Tagesangebote für chronisch Kranke, die nicht mehr arbeiten können und von Armut, Einsamkeit und Ausgrenzung betroffen sind.
Ein anderer Punkt ist eine weitere Liberalisierung der Drogenpolitik. Wir begleiten kranke Menschen und finden es wünschenswert, dass Cannabis als Arzneimittel gegen Schmerzen verwendet werden kann. Außerdem ein offenerer Umgang mit drogenkonsumierenden Menschen, ein Ende ihrer Kriminalisierung. Es wäre auch erfreulich, wenn die rechtliche Gleichstellung schwuler und lesbischer Lebensweisen weiter vorankäme. Und wir brauchen mehr aufgeklärte Menschen im Gesundheitswesen.
In Kürze
Die AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. wurde 1985 als unabhängige, parteiische Organisation gegründet. Zurzeit arbeiten hier 94 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 160 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
Die AIDS-Hilfe wehrt sich gegen die Diskriminierung der Betroffenen von HIV und AIDS. Sie wirbt für einen respektvollen, solidarischen Umgang der Menschen, Betroffenen wie Nichtbetroffen, und dafür, unterschiedliche Lebensweisen zu akzeptieren.
Unterstützen
Die Arbeit der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. hängt stark von Spenden und Zuschüssen ab. Wenn ihr die AIDS-Hilfe unterstützen möchtet, könnt ihr online spenden.
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