„Ein Meilenstein für die Nachhaltige Geldanlage.“

Suedwind Insitut„Klassenziel erreicht? Der Einfluss Nachhaltiger Ratingagenturen auf Unternehmen.“ Das Südwind Institut, eine renommierte Nichtregierungsorganisation (NGO), stellte Anfang Februar seine neue Studie vor. Die Arbeit stellt nach Dr. Paschen von Flotow (Sustainable Business Institute), ebenfalls zu Gast bei der Vorstellung der Studie, einen Meilenstein in der Entwicklung des Nachhaltigen Finanzwesens dar.

Über 120 Menschen aus verschiedenen Institutionen wie Ratingagenturen, den UN PRI, Versicherungen, viele Vertreter der Kirchenbanken und auch wir waren vergangene Woche bei der Vorstellung der Studie in Bonn dabei. Die Kernaussagen haben wir für Euch festgehalten.

37 europäische Unternehmen schrieb Südwind an. Antworten erhielt Antje Schneeweiß, die die Studie federführend verantwortet, von 22 Unternehmen aus den vier Branchen Bergbau, Handel mit tropischen Früchten (wie Kakao und Palmöl), Textilindustrie sowie dem Einzelhandel (u.a. Schokolade, Schmuck). Unternehmen aus Frankreich ignorierten die Anfrage völlig. In Experteninterviews untersuchte Antje Schneeweiß die Ziele von Ratingagenturen und verglich diese den Aussagen zum Stellenwert und der Wirkung bei den Unternehmen.

„Der starke Einfluss der Ratingagenturen ist vorbei.“

Vor fast 20 Jahren wurden Unternehmen erstmals hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. Damals lieferten sie den wesentlichen Anstoß in Unternehmen, sich überhaupt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Mittlerweile hat der Einfluss nachgelassen, „es hat sich eine gewisse Dynamik entwickelt“, so Schneeweiß. Denn viele dieser Unternehmen betrachteten die Ergebnisse einer Ratingagentur heute eher als Nachweis für ihr nachhaltiges Engagement oder Ausrichtung, nicht jedoch als unmittelbaren Auslöser, bemerkte Schneeweiß.

Nur zwei der befragten Unternehmen gaben an, den Ergebnissen von Ratingagenturen einen hohen Stellenwert einzuräumen. Das Resultat waren die Anpassung von Klimazielen oder gar der Produktpalette. Immerhin sehen sechs Unternehmen die Ratings als Anreiz, um in nachhaltigen Bereichen aktiv zu werden – konkrete Veränderungen sind bislang jedoch keine durchgeführt worden. Sechs berichteten, allein durch intrinsische Motivation, also ohne den Einfluss der Ratings, zu agieren. Dies mag nicht zwingend tatsächlich verändertes wirtschaftliches Handeln sein. Stattdessen übten sie sich in Transparenz und veröffentlichten vermehrt Daten bezogen auf ihre unternehmerische Tätigkeit. Drei hingegen eiferten den guten Noten in nachhaltigen Ratingsystemen gar nach. Vier Unternehmen eröffneten, dass tatsächlich dritte Anspruchsgruppen einen weitaus höheren Einfluss besitzen. Bergbauunternehmen stehen z.B. in engen Kontakt zu lokalen Gemeinschaften in den Abbaugebieten – auch, wenn dieser Dialog in nur wenigen Fällen öffentlich sichtbar ist. Der Einzelhandel legt großen Wert auf die Meinung seiner Kunden, während für Unternehmen aus dem Luxusgüterbereich die Reputation der auschlaggebende Faktor für ihr Wirtschaften ist.

Doch würde das Management tatsächlich zugeben, sich erst auf das Wirken der NGOs oder Ratingagenturen hin geändert zu haben? Eigeninitiative verspricht eine deutlich höhere Wirkung unter den Anspruchsgruppen als „erzwungenes Handeln“.

Ratings und NGOs

NGOs nahm das Südwind Institut ebenfalls in die Studie mit auf. Während Ratingagenturen oft isoliert arbeiten und in mühevoller Kleinarbeit den Unternehmen dicke Wälzer an Fragebogen vorlegen, setzen die NGOs auf den direkten Dialog. Sie verfügen über Wissen vor Ort und richten sich nicht nur an die Unternehmen, sondern ebenso an deren Anspruchsgruppen. Decken sie Missstände auf, seien es Menschenrechtsverletzungen, Umweltkontroversen oder andere Machenschaften, zerren sie die betroffenen Unternehmen ins ungeliebte Rampenlicht. Durch die mediale Präsenz stoßen sie zwar tatsächlich den einen oder anderen Prozess an. Tatsächlich sehen Unternehmen sie eher als unbequeme Fragesteller und in den wenigsten Fällen üben sie einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik aus.

In den Experteninterviews kritisierten die NGOs die Aussagekraft der Ratings, bzw. die unbekannte Basis der Aussagen. Denn erhält ein Unternehmen, das aufgrund mangelhafter Mindeststandards in der Kritik steht, zeitgleich den Prime Status einer Ratingagentur , sorgt dies zum einen für Verwunderung, zum anderen konterkarieren sich beide Seiten.

„Menschen haben nicht nur ein Portemonnaie, sondern auf auch einen Kopf und ein Herz.“

Inwiefern der Gesetzgeber sich nützlich machen kann, erläuterte Dr. Gerhard Schick. In seinen Augen müssen nicht zwingend weitere Regularien aufgestellt werden. Ein erster wichtiger Schritt wäre, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen und Daten hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsstandards und -konzepte transparent zu veröffentlich. Diesen sozialen und ökologischen Daten müsste der gleiche Stellenwert beigemessen werden wie ökonomischen Kennziffern.

Ist das Klassenziel nun erreicht? In Teilen, ja, sagt Schneeweiß. Doch es gilt einige Kernaussagen der Studie festzuhalten, um den Einfluss auf Unternehmen deutlich zu steigern:

  • Ein Bewertungssystem ist nötig, das die Interessen verschiedener Anspruchsgruppen berücksichtigt und soziale, ökologische und ökonomische Kriterien auf eine Stufe hebt.
  • Transparente Ratings: Derzeit gleichen die Ratings der Ratingagenturen einer Blackbox. Ihre Informationsgrundlagen oder die Gewichtung werden nur selten veröffentlicht.
  • Investoren sollten über die Wirkung des Unternehmens wie auch seine Maßnahmen vor Ort kontinuierlich und umfassend informiert werden.
  • Eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen zu mehr Transparenz würde die Arbeit der Ratingagenturen wie auch der NGOs deutlich vereinfachen.
  • Gemeinsam stark: Ratingagenturen, NGOs und Investoren sollten sich stärker austauschen und vernetzen, und ihr Wissen bündeln – unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit.

Auch wenn die Studie zu dem Schluss kommt, dass Ratings derzeit nur einen geringen Einfluss auf Unternehmen ausüben, so gibt es doch ein eindrucksvolles Beispiel, welche Auswirkung ein beherzter Einsatz haben kann:

Im Jahr 2003 arbeiteten in Indien 2.000 Kinder auf Baumwollsaatgutfeldern. Die Felder wurden trotzdem mit Pestiziden besprüht – mit verheerenden Folgen für die Gesundheit der Kinder. Die Entlohnung lag weit unter dem landesüblichen Mindestlohn. Einer der größten Abnehmer des Saatguts sind und waren damals Tochtergesellschaften der Bayer AG. NGOs prangerten diese Missstände bei Bayer an und setzten schließlich eine Klage gemäß den Grundsätzen der OECD durch. Bayers angekündigte Maßnahmen verliefen im Sand. 2005 schließlich schaltete sich der Norwegische Pensionsfonds (NPF), ein Aktionär von Bayer, ein. Er verschaffte sich umfangreiches Wissen vor Ort, entsendete Mitarbeiter nach Indien und leistete einen hohen qualitativen Einsatz. Bayer unternahm in den folgenden Jahren umfangreiche Vorkehrungen, um die Kinderarbeit einzudämmen. Dazu gehörte auch der Bau von Schulen für die Kinder.

 

Marc Pfizenmaier (GLS Experte für nachhaltige Geldanlagen) und Vanessa Bolmer (Vorstandsassistenz)

 

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