Die Weltklimakonferenz COP29 in Aserbaidschan endete am Sonntag, dem 24. November 2024, nach mehr als 30 Stunden Verlängerung. Sie hinterlässt gemischte Gefühle.
Industrieländer müssen 300 Milliarden Dollar zahlen
Der Sonntag brach an in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Mehr als 30 Stunden verspätet begann das Abschlussplenum des 29. Weltklimagipfels. Konferenzpräsident Muchtar Babajew rief den Tagesordnungspunkt zum neuen Ziel für die globale Klimafinanzierung auf, im Konferenzsprech: New collective quantified goal on climate finance – NCQG.
Ohne den Saal mit hunderten von Delegierten aus aller Welt mit einem Blick zu würdigen, erklärte Babajew das in endlosen Nachtsessions ausgehandelte NCQG für angenommen und ließ nicht nur symbolisch, sondern auch ganz real den Hammer fallen. Kernpunkt und Aufreger des Finanzbeschlusses ist: Die Industrieländer müssen ab dem Jahr 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung an Entwicklungsländer zahlen, nicht an alle, sondern vor allem an die, die besonders unterm Klimawandel leiden und die die wirtschaftliche Transformation nicht selbst stemmen können.
Nicht mehr als eine „optische Illusion“?
Geldgeber wie die Europäische Union finden das neue „Goal“ gut. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra lobte den Beschluss, damit breche eine „neue Ära der Klimafinanzierung“ an, erklärte er in Baku. Das neue Ziel erlaube, noch viel größere Summen an privatem Kapital zu hebeln.
Ganz anders sehen das die Länder, die auf das Geld angewiesen sind. Nach dem Hammerfall beschwerte sich die indische Klimagipfel-Delegation. Es tue ihnen leid, aber sie könnten den Beschluss nicht akzeptieren. Das Dokument sei nichts anderes als eine optische Illusion.
Nicht mehr als finanzielle Kosmetik
Mit der Kritik steht Indien bei weitem nicht allein, und verständlich ist sie auch. Denn die vielfach erschreckenden Billionen Dollar notwendiger Klimaschutz-Zahlungen an die Entwicklungsländer sind keineswegs aus der Luft gegriffen. Sie finden sich im selben NCQG-Dokument, in dem auch die beschlossenen 300 Milliarden stehen.
Auf die Billionen kamen Experten der Klimakonvention, als sie sich fragten, welche finanziellen Hilfen ab 2025 nötig sind, damit auch ärmere Entwicklungsländer ihren Beitrag zum Pariser 1,5-Grad-Limit leisten könnten.
Der Beschluss hält dazu zunächst eine Summe von 5.1 bis 6.8 Billionen Dollar für den gesamten Zeitraum bis 2030 für notwendig. So steht es schwarz auf weiß im UN-Dokument.
Ohne Geld kein Klimaschutz
Die „Lücke“ zu den nunmehr geltenden 300 Milliarden ab 2035 ist so offensichtlich, dass daran der gesamte Gipfel in Baku zu scheitern drohte. Einige Zeit lang wollten die Industrieländer ihre Zahlungen sogar auf 250 Milliarden Euro drücken.
Den 300 Milliarden stimmten sie dann nur zu, weil ihnen im Abschlussdokument auch zugesichert ist, sie müssten die Klimagelder nicht aus ihren öffentlichen Haushalten nehmen, sondern nur, wie es im „Goal“ heißt, eine „Führungsrolle“ beim Aufbringen der Summe innehaben.
Tagelang wurde in den Katakomben des Nationalstadions zudem Ideen hin- und her gewälzt, wie zusätzliches Geld aufgebracht werden kann. Denn die Billionen werden ja für das 1,5-Grad-Limit gebraucht – ohne genügend Geld gibt es eben nicht genügend Klimaschutz.
Banken werden wichtige Klimafinanzierer
Zum so genannten „Hebeln“ in Richtung Billion soll zum Beispiel die gesamte Klimafinanzierung der Entwicklungsbanken mitgerechnet werden. Da alle Länder dieser Welt Aktien von Entwicklungsbanken wie der Weltbank besitzen, tragen so auch alle Entwicklungsländer zur Klimafinanzierung bei.
Länder wie China, die sich der direkten internationalen Klimafinanzierung verweigern, haben beispielsweise Anteile an der Asian Infrastructure Investment Bank. Beteiligt sich die in größerem Umfang an Klimaschutzmaßnahmen, ist der Eigner China mit im Boot.
Banken werden so künftig zu einem wichtigen strategischen Klimafinanzier und sorgen für Klimagerechtigkeit, ein wenig jedenfalls. Natürlich reichen auch die Bankmittel nicht für die Billionen. Der „Goal“-Beschluss führt denn auch eine „wide variety“ von Geldquellen an, öffentliche wie private.
In dem Papier findet sich auch eine Quelle namens “alternative sources“
Unter „alternativ“ versteht die Politik hier beispielsweise die von den G20 beschlossene Absicht, bei einer Besteuerung von Milliardenvermögen zusammenzuarbeiten und Individuen mit einem „ultrahohen Vermögen“ effizient zu besteuern.
Die brasilianische Regierung, die derzeit den G20-Vorsitz innehat, hatte dazu bereits im Vorfeld eine Vermögenssteuer von mindestens zwei Prozent jährlich ins Gespräch gebracht, die die weltweit etwa dreitausend Milliardäre erfassen sollte. Diese Steuer könnte schätzungsweise 200 bis 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen.
Verschmutzer kommen gut davon
Eine weitere alternative Finanzquelle wären Abgaben für Konzerne, die Öl, Gas oder Wasser fördern oder nutzen, sogenannte „polluters pay“. Das Stichwort stand auch eine Zeitlang in dem NCQG, wurde dann aber gestrichen, vermutlich von denen, die gerade noch mit Gas- und Öl gute Geschäfte machen. Linda Kalcher vom Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives lobt dennoch das Herangehen im neuen NCQG. Dieses sei eine „Trendwende“, denn „die öffentliche Finanzierung durch eine wachsende Zahl von Geldgebern und neue Finanzierungsformen werden dazu beitragen, 1.300 Milliarden Dollar bis 2035 freizusetzen“.
Immer wieder schreiben die Klimareporter° für das GLS Bank Magazin über die wichtigsten Fragen zum Klimaschutz und zur Energiewende, diesmal ganz aktuell zur Weltklimakonferenz aus Baku, Aserbaidschan. Weitere spannende Artikel zur COP29 gibt es hier:
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