Die Gretchenfrage der Klimadiplomatie ist die Klimafinanzierung. Auf dem diesjährigen UN-Gipfel soll ein neues Ziel für die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Industrienationen ausgehandelt werden. Doch zwischen den Ländergruppen liegen tiefe Gräben.
Es geht ums Geld – 10 Jahre lang ist kaum etwas passiert
Auf dem diesjährigen Weltklimagipfel COP 29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku geht es ums Geld. Das lässt schwierige Diskussionen erwarten. Die Verhandlungen sind bei dem Thema Klimafinanzierung, wie die Historie der UN-Konferenzen zeigt, besonders zäh. Die ärmsten Länder kämpfen etwa seit über zehn Jahren für eine finanzielle Unterstützung der Industrienationen zur Bewältigung klimabedingter Verluste und Schäden – im Konferenzenglisch „Loss and Damage“. Zehn Jahre lang ist kaum etwas passiert.
Erst 2022 wurde beschlossen, dass ein entsprechender Fonds auf den Weg gebracht werden soll. Auf dem letzten Klimagipfel 2023 in Dubai wurden schließlich einige freiwillige Finanzzusagen gemacht – weit unterhalb dessen, was allein die Überschwemmung in Pakistan vor zwei Jahren an Schäden angerichtet hat. Bis heute existiert der Loss-and-Damage-Fonds nur auf dem Papier. Und wie sich in diesem Beitrag noch zeigen wird, sind Finanzzusagen und tatsächliche Geldüberweisungen im Kontext der internationalen Klimaverhandlungen zwei unterschiedliche Paar Schuhe.
Dieses Jahr werden die Verhandlungen um den Loss-and-Damage-Fonds weitergehen. Doch dieses Jahr geht es noch um wesentlich mehr.
Einigen sich die Staaten auf neues Klimafinanzierungsziel?
Die Staaten müssen sich auf ein neues generelles Klimafinanzierungsziel einigen. Wie 2009 auf dem Gipfel in Kopenhagen beschlossen und sechs Jahre später im Pariser Klimaabkommen bestätigt, sind die Industrienationen verpflichtet, Entwicklungsländer finanziell bei Klimaschutz und Klimaanpassung zu unterstützen. Die Industrieländer sagten zu, zwischen 2020 und 2024 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen. In Baku muss sich die Weltgemeinschaft deshalb für die Jahre ab 2025 auf ein neues Ziel einigen.
Das neue Finanzierungsziel stehe bei diesem Gipfel ganz oben auf der Tagesordnung, betont Jan Kowalzig, Finanzexperte bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Wenn es hierbei keinen überzeugenden Kompromiss gibt, ist dieser Gipfel kein Erfolg.“
Das ist durchaus eine realistische Option. Schließlich sind sich die einzelnen Länder oder Ländergruppen im Grunde bei jedem einzelnen Aspekt des neuen Finanzziels uneinig. Das betrifft die Höhe genauso wie die Frage, welche Länder zahlen und welche profitieren sollen, oder auch, was unter Klimafinanzierung fällt und als solche angerechnet werden darf.
Industrieländer haben Vertrauen verspielt
Viel Vertrauen haben die Industrienationen bereits damit verspielt, das ohnehin viel zu geringe 100-Milliarden-Dollar-Versprechen nicht vollständig erfüllt zu haben. In den ersten zwei Jahren wurde die Summe deutlich verfehlt. 2022 berichtete der Industrieländerklub OECD erstmals, das Ziel sei erreicht worden. Zahlreiche Verhandler*innen aus dem globalen Süden, aber auch Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kamen zu einem ganz anderen Ergebnis. Teil der Kritik ist, dass Projektmittel, die bereits als Entwicklungshilfe verbucht worden waren, schlicht in Klimafinanzierung umetikettiert worden seien. Die Berichterstattung zur Klimafinanzierung obliegt allein den Industriestaaten, in Deutschland dem Bundesentwicklungsministerium. Ohne Kontrollinstanz entscheidet das Ministerium, ob ein Projekt als Klimamaßnahme angerechnet werden kann oder nicht.
Zudem werden weltweit fast 70 Prozent des Geldes nicht als Zuschüsse, sondern als Kredite vergeben, und das größtenteils zu Marktkonditionen oder nur wenig besseren Bedingungen. Damit verdienen die Geberländer sogar noch an der Klimafinanzierung, und auch die Schuldenkrise vieler Länder des globalen Südens wird weiter verschärft.
Wie man es dreht und wendet: Es sind keine 100 Milliarden Dollar, die den Empfängerländern netto zur Verfügung standen. Es gibt keine festen Regeln dafür, was Klimafinanzierung eigentlich ist. Diese Unklarheit sei den Industrienationen zugutegekommen, sagt Oxfam-Experte Kowalzig.
Der Begriff Klimafinanzierung muss klar definiert werden
Der Begriff Klimafinanzierung soll deshalb in eine klare Definition gegossen werden, lautet eine Forderung der Entwicklungsländer. Bei den Vorverhandlungen, etwa auf der Klima-Zwischenkonferenz vergangenen Juni in Bonn, gab es dazu keine Fortschritte. Ähnlich sieht es mit der Höhe des künftigen Finanzziels aus. Die arabische und die afrikanische Ländergruppe forderten zwischen 1,1 und 1,3 Billionen US-Dollar an jährlicher Klimafinanzierung von 2025 bis 2030. Das seien vergleichsweise bescheidene Summen, die auf jeden Fall diskutierbar sein müssten, sagt Kowalzig. „Die notwendige Finanzierung ist nicht davon abhängig, was die Industrieländer bereit sind zu geben, sondern was die ärmsten Länder brauchen, um mit der Klimakrise umzugehen“, betont der Experte.
Unabhängige Schätzungen der notwendigen Finanzmittel, damit die Entwicklungsländer Maßnahmen entsprechend dem Pariser Klimaabkommen ergreifen können, rangieren zwischen zwei und sechs Billionen Dollar jährlich. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, welchen Teil des Geldes die Industrienationen und welchen die Länder selbst zu stemmen haben.
Grundsatzdebatte: Wer soll zahlen und wer davon profitieren?
Während Entwicklungsländer über konkrete Summen, Finanzierungsmöglichkeiten und Regeln sprechen wollen, lassen sich die Industrienationen bisher auf nichts Handfestes ein. Sie wollen zuvor eine alte Grundsatzdebatte aufrollen: Welche Länder sollen zur Klimafinanzierung verpflichtet werden und welche sollen davon profitieren dürfen?
Eigentlich klingt es logisch. Die reichen Industrieländer als Hauptverursacher der Klimakrise müssen zahlen, die Entwicklungsländer müssen unterstützt werden. Die Vereinten Nationen richten sich bisher nach dieser klaren Zweiteilung der Welt. Diese hat ihren Ursprung in einem über 40 Jahre alten UN-Bericht, dem „Nord-Süd-Report“.
„Entwicklungsländer“ ziehen an „Industrieländern“ vorbei
Mittlerweile haben tatsächlich einige „Entwicklungsländer“ wie Südkorea oder die Vereinigten Arabischen Emirate bei der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung so manches „Industrieland“ überflügelt. Kurz, die Zweiteilung ist heute angesichts einer differenzierten globalen Verteilung von Wirtschaftskraft nicht mehr zeitgemäß. Es gibt also durchaus Argumente dafür, die Gruppe der Geberländer zu vergrößern. Die betroffenen „Entwicklungsländer“ wollen sich dagegen nur auf freiwilliger Basis an der Klimafinanzierung beteiligen. Sie argumentieren, aufgrund der großen historischen Verantwortung der klassischen Industrienationen könnten sie nicht mit ihnen gleichgestellt werden. Tatsächlich liegen die kumulierten historischen Emissionen der USA weit über denen Chinas. Die historischen Emissionen Großbritanniens, Deutschlands oder Russlands liegen zwar in absoluten Zahlen darunter, aber pro Kopf deutlich darüber.
Auch für Jan Kowalzig haben die Industrieländer nachvollziehbare Gründe, den Kreis der Geberländer erweitern zu wollen. Gleichzeitig gebe es gute Gründe aus Sicht der Emirate oder Südkoreas, sich gegen eine UN-rechtliche Gleichstellung mit den Industrienationen zu wehren.
Das schwierige Thema der Klimaschäden kommt da noch obendrauf. Entwicklungsländer wollen es als eine dritte Säule der Klimafinanzierung neben Klimaschutz und Klimaanpassung vertraglich festhalten. Die Industrieländer sträuben sich.
Mitgliedsländer sollen neue nationale Klimapläne vorlegen
Auch wenn Klimafinanzierung im Zentrum der Verhandlungen steht, geht es natürlich noch um wesentlich mehr. Bereits zu Beginn des kommenden Jahres sollen die Mitgliedsländer neue nationale Klimapläne, sogenannte Nationally Determined Contributions (NDC) vorlegen. Diese müssen ambitionierter und umsetzungsorientierter werden, wenn das Pariser Klimaabkommen in Reichweite gehalten werden soll. Ohne Zugeständnisse der Industrienationen werden sich die Entwicklungsländer aber vermutlich bei neuen Klimaschutz-Verpflichtungen querstellen.
Auf dem letzten Gipfel wurde zum ersten Mal beschlossen, dass sich alle Länder um eine Abkehr von fossilen Brennstoffen bemühen sollen. Diese ohnehin schon schwache Formulierung darf in dem kommenden Gipfel nicht wieder aufgeweicht werden. Hoffnung auf klare Ausstiegsdaten oder dergleichen haben Beobachter*innen kaum.
Ob die Verhandlungen in einen vielversprechenden Kompromiss oder einen gescheiterten Klimagipfel münden? Ende November wissen wir mehr.
Blick zur LCOY: Die Junge Klimakonferenz Deutschland
LCOY steht für Local Conference of Youth. Damit sind nationale Konferenzen zum Klimaschutz für junge Menschen zwischen 14 und 30 Jahren gemeint. Hier bei uns heißt die LCOY also „Junge Klimakonferenz Deutschland“. LCOYs sind nationale Ableger der COY, der Conference of Youth. Diese Konferenz für junge Menschen findet im Rahmen der Weltklimakonferenzen statt. Die COY ist also Bestandteil der COP (Conference of the Parties), der offiziellen Klimakonferenz der Weltgemeinschaft.
In Deutschland findet die Junge Klimakonferenz seit 2019 einmal jährlich an wechselnden Orten statt (zuletzt im Oktober in Berlin). Die Teilnehmenden treffen in Diskussionsrunden, Vorträgen und Workshops auf Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. So soll Vernetzung, der Austausch von Wissen und das Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten für eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Welt ermöglicht werden. Die LCOY trägt ihre Ergebnisse anschließend an die COY weiter.
Wir haben Norah Schnabel und Johanna Frangen, Mitglieder des ehrenamtlichen Teams, das die Jungen Klimakonferenzen organisiert, auf unserer Nachhaltigkeitsmesse im Juni getroffen und bei ihnen nachgefragt, was die Konferenzen ihrer Meinung nach bewirken und was sie sich für die Zukunft wünschen.
…viele Expert*innen, spannende Diskussionen, geballtes Wissen und jede Menge Spaß! So jedenfalls schreibt die Junge Klimakonferenz Deutschland über sich selbst. Du willst mehr wissen? Dann klicke die Website.
Titelbild: Cop29 Azerbaijan
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