Bezahlbarer Wohnraum wird in deutschen Städten zur Mangelware. Doch man muss nicht immer auf die große Politik hoffen, sondern kann selbst aktiv werden: mit der bewährten Idee der Gemeinschaft. Robin Mohr stellt das Konzept von Genossenschaftlichen Immobilienagenturen (GIMAs) vor. Sie treten als Vermittler zwischen Verkäufer*innen, Mieter*innen und Genossenschaften auf. Ihr Ziel? Faire Hausverkäufe und dauerhaft verfügbare Mieten – fernab von Spekulationen.
1. Wie trägt die GIMA in verschiedenen Städten mit ihren genossenschaftlichen Immobilienagenturen dazu bei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und welche Herausforderungen sehen Sie dabei in urbanen und ländlichen Regionen?
Robin Mohr: Die GIMA konzentriert sich vor allem darauf, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Wir vermitteln Immobilien an gemeinwohlorientierte Unternehmen wie Genossenschaften. So stellen wir sicher, dass er nicht in die Hände renditeorientierter Investoren fällt. Damit verhindern wir, dass Wohnraum für die Menschen unbezahlbar wird und sie verdrängt werden. Nach einem Immobilienverkauf erleben Mieter*innen oft steigende Mieten und Unsicherheit. Genossenschaften bieten langfristige Stabilität und Mitbestimmung für die Bewohner*innen.
Zusätzlich vermitteln wir unbebaute Flächen oder leerstehende Gebäude, um neuen Wohnraum zu schaffen. Damit entlasten wir den Wohnungsmarkt. Die genossenschaftliche Immobilienagentur GIMA Frankfurt vermittelt Immobilien in Frankfurt und der näheren Umgebung. Es gibt aber auch GIMAs in Berlin, München, Leipzig und Tübingen. Bundesweit und für den ländlichen Raum gibt es bisher kaum Angebote, wobei die „Dezentrale“, einem Netz für gemeinschaftliches Wohnen in Sachsen, ein gutes Beispiel dafür ist, dass auch hier Angebote nötig sind.
2. Welche besonderen Vorteile bietet das genossenschaftliche Modell der GIMA im Vergleich zu herkömmlichen Maklern für Mieter*innen, Eigentümer*innen und Kommunen?
Gemeinwohlorientierte Unternehmen wie genossenschaftliche Immobilienagenturen konzentrieren sich auf das Bereitstellen von Wohnraum. Und nicht auf das Erzielen von Gewinnen. Sie wirtschaften sozial und ökologisch nachhaltig. Die Mietpreise orientieren sich an den Kosten, nicht an dem, was rechtlich möglich ist. Dass diese Wirtschaftsweise funktioniert, zeigen insbesondere die lange bestehenden Wohnungsgenossenschaften. Sie stehen wirtschaftlich solide da und können sehr günstige Mieten anbieten. Das ist seit über 100 Jahren ein Erfolgsmodell.
Ein weiterer Vorteil ist die Mitbestimmung. Denn wenn mein Haus von einer Wohnungsgenossenschaft gekauft wird und ich Mitglied werde, gehört mir ein kleiner Teil des Unternehmens. Ich kann dann aktiv an Entscheidungen teilhaben, etwa bei der Wahl von Vorstand und Aufsichtsrat oder der Ausrichtung der Genossenschaft. Außerdem arbeiten Genossenschaften transparent und sind ihren Mitgliedern gegenüber rechenschaftspflichtig. Daher orientieren sie sich stark an ihren Bedürfnissen.
Besitzer*innen, die ihre Immobilie an gemeinwohlorientierte Unternehmen verkaufen, stellen sicher, dass die Hausgemeinschaft in der Immobilie wohnen bleiben kann und nicht verdrängt wird. Vielen Eigentümer*innen ist die soziale Verantwortung wichtiger als das Erzielen eines maximalen Gewinns. Ich kenne viele herzerwärmende Geschichten von Hausbesitzer*innen, die nicht damit leben wollen, dass die Mieter*innen, die sie seit 40 Jahren kennen, ausziehen müssen. Nur weil das geerbte Haus meistbietend verkauft wird. Hinzu kommt, dass viele der Eigentümer*innen selbst in den Häusern wohnen und das auch weiterhin wollen. Und zwar meist für immer. Auch hier sind Genossenschaften ein besonders guter Partner und sehr flexibel mit der Vertragsgestaltung. Auch die Kommunen profitieren. In Zeiten von Verdrängung und steigenden Mieten helfen Genossenschaften und andere gemeinwohlorientierte Unternehmen dabei, günstigen Wohnraum zu erhalten. Dies entlastet den Wohnungsmarkt in den Städten und wirkt dämpfend auf die Mietpreise.
3. Wie integriert die GIMA Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Immobilienprojekte und welche Rolle spielt dabei die ökologische Verantwortung?
Die GIMA vermittelt Immobilien an genossenschaftliche Käufer*innen, die besonders nachhaltig mit den Gebäuden umgehen. Oft sind diese Immobilien in einem schlechten energetischen Zustand, und die bisherigen Eigentümer*innen haben Schwierigkeiten, die nötigen Sanierungen durchzuführen. Wenn eine Genossenschaft ein solches Haus kauft, sorgt sie dafür, dass es energetisch saniert und gleichzeitig sozialverträglich modernisiert wird.
Genossenschaften bauen keine Luxuswohnungen, da sie unnötig viel Fläche pro Person verbrauchen – und das ist ökologisch problematisch. Sie setzen auf bezahlbaren und umweltfreundlichen Wohnraum. Genossenschaftliche Immobilienagenturen schaffen solide, gut sanierte Wohnungen zu fairen Preisen und verfolgen eine langfristige, nachhaltige Wirtschaftsweise. Das stabilisiert den Wohnungsmarkt. Diese Art des Wirtschaftens, die auf Beständigkeit, statt schnelle Gewinne setzt, wird immer wichtiger, um ökologische und soziale Verantwortung im Immobilienbereich zu stärken.
4. Können Sie uns einige erfolgreiche Projekte oder Kooperationen nennen, bei denen Ihre genossenschaftliche Immobilienagentur durch innovative Ansätze den Wohnungsmarkt positiv beeinflusst hat?
Die Mitgliedsunternehmen der GIMA arbeiten stetig daran, sozial verträgliche Hausverkäufe zu ermöglichen. Das ist oft eine Herausforderung, da die hohen Immobilienpreise schwer mit sozialverträglichen Mieten vereinbar sind. Trotzdem schaffen wir es oft, durch Kooperationen verschiedener Akteure passende Lösungen zu finden.
Bei einem unserer Projekte arbeitet zum Beispiel eine Stiftung mit einer Genossenschaft zusammen. Die Stiftung kauft die Immobilie, trennt das Haus vom Grundstück und verpachtet das Grundstück im Erbbaurecht an die Genossenschaft. Dadurch muss die Genossenschaft nur das Haus finanzieren, nicht aber das teure Grundstück. Das reduziert das Kreditvolumen für die Genossenschaft, was aktuell ein hoher Kostenfaktor ist. Das Ziel ist immer, die laufenden Kosten möglichst gering zu halten, damit die Mieten ebenfalls möglichst günstig sind. Das Erbbaurecht gibt es schon sehr lange, und es hat sich bewährt. Das Innovative an dem Ansatz ist die Nutzung dieses Instruments in neuen Konstellationen.
5. Wie schafft es die GIMA, ihre Werte wie Gemeinwohlorientierung und Fairness in einem zunehmend von Profitmaximierung geprägten Immobilienmarkt zu verteidigen?
Die GIMA hat sich neben der Satzung auch ein Selbstverständnis gegeben, wie sie Wohnraum sozialverträglich bewirtschaftet. Dazu gehören klare Prinzipien wie das Verbot der Aufteilung in Eigentumswohnungen, der Verzicht auf Luxusmodernisierungen und die Verpflichtung, Mieten so günstig wie möglich zu halten. Diese Verpflichtungen halten wir bei einem Verkauf im Vertrag fest. Hier können Eigentümer*innen ihre eigenen Wünsche ebenfalls festschreiben lassen. Die miteinander getroffenen Vereinbarungen sind wichtig für die Preisfindung der Immobilie, denn letztlich möchten die Besitzer*innen ein besonderes Angebot für ihr Haus bekommen. Und Sicherheit darüber, welche Vorteile der Verkauf an die Genossenschaft bietet.
GIMAs engagieren sich zudem auch politisch dafür, dass gemeinwohlorientierte Akteure mehr Unterstützung bekommen. Denn nachhaltiges, soziales Wirtschaften auf dem Wohnungsmarkt verdient mehr Anerkennung und Förderung!
Zur Person
Robin Mohr ist Stadtgeograf aus Frankfurt am Main. Im Masterstudium fokussierte er sich auf Wohnungsmärkte und Mietpreisentwicklung. Nach dem Studium arbeitete er beim Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V. und setzte in dieser Position 2021 die Gründung der GIMA Frankfurt eG um. Er ist ehrenamtlich im Vorstand des wohnbund e.V. und der DachGeno RheinMain eG aktiv.
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