Zur Veröffentlichung der Kurzstudie des SÜDWIND-Instituts im Auftrag der GLS Investments ein Gespräch mit Nachhaltigkeitsanalystin Ricarda Rösch
Als Tochter der GLS Bank ist es das Ziel der GLS Investments, Geld dorthin zu lenken, wo es unter sozial-ökologischen Gesichtspunkten am dringendsten benötigt wird. Mit dem GLS AI – Mikrofinanzfonds wollen wir diesem Ziel direkt nachkommen: Die eingesetzten Gelder refinanzieren Mikrofinanzinstitute, die Klein(st)kredite an Menschen vor Ort vergeben – in Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika.
Welche Wirkung die Gelder tatsächlich entfalten können, lässt sich nicht immer im vollen Umfang belegen. Die GLS Investments hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Frage nach der sozial-ökologischen Wirkung (englisch „Impact“) von Mikrofinanz überprüfen sollte. Unter welchen Bedingungen Mikrofinanz am besten wirkt und welche Schlüsse die GLS Investments für ihre weitere Arbeit im Mikrofinanzsektor daraus zieht, habe ich mit Ricarda Rösch, Nachhaltigkeitsanalystin der GLS Investments, erörtert.
Der GLS AI – Mikrofinanzfonds hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen weltweit den Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Online eine Rechnung zu begleichen, Bargeld abzuheben oder einen Kredit aufzunehmen ist für viele Menschen Alltag und selbstverständlich. Wieso ist der Zugang zu Finanzdienstleistungen für Menschen im globalen Süden so wichtig?
Ricarda Rösch: Viele Staaten im Globalen Süden verfügen nur über sehr rudimentäre soziale Sicherungssysteme. Die Menschen sind daher gezwungen, selbst für sich und ihre Familien vorzusorgen. Aus diesem Grund sind beispielsweise Sparangebote besonders wichtig: Sicher verwahrte Ersparnisse können im Fall von Ernteausfällen, Krankheiten oder Todesfällen als wichtiges Sicherheitsnetz dienen. Eine ähnliche Funktion haben Mikroversicherungen. Auch Landwirt*innen müssen mit großen saisonalen Unterschieden bei den Geldflüssen umgehen. Kleine Kredite können helfen, diese abzufedern. Zudem können Mikrokredite dringend notwendige Investitionen für Kleinunternehmer*innen ermöglichen und damit zum Gedeihen des Geschäfts beitragen.
Verbessert sich die Lebensgrundlage der Menschen durch den Zugang zu Finanzdienstleistungen tatsächlich? Oder ist die Annahme, dass man so Armut bekämpfen kann, etwas zu hoch gegriffen?
Ricarda Rösch: Grundsätzlich ist eine positive Wirkung von Mikrofinanz zur Armutsbekämpfung strittig und schwer nachweisbar. Um den realistischen Beitrag zur Verbesserung der Lebensgrundlagen konkreter einschätzen zu können, haben wir das SÜDWIND-Institut beauftragt, eine Studie dazu zu erstellen (die Studie ist im Download-Bereich dieser GLS Website hinterlegt). Das Institut forscht vor allem zu der Frage, wie wir unsere Wirtschaft gerechter gestalten können. Darauf aufbauend entwickelt es Instrumente und Handlungsmöglichkeiten für entwicklungspolitische Organisationen, Wirtschaft und Politik. Die aktuelle Studie zeigt auf, dass unter bestimmten Bedingungen eine positive Wirkung durch Mikrofinanz erzielt werden kann.
Wie sehen diese Bedingungen aus?
Ricarda Rösch: Die Studie weist darauf hin, dass die Vergabe von Mikrokrediten allein nicht ausreicht, um eine positive soziale Wirkung zu erzielen. Es sollten bestimmte zusätzliche Bedingungen erfüllt werden: Die Mikrofinanz-Angebote sollten maßgeschneidert sein für die Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppen. Kleinbäuer*innen brauchen zum Beispiel Rückzahlungsbedingungen, die mit dem Erntezyklus kompatibel sind. Mikrofinanz wirkt ebenfalls positiv, wenn Menschen nicht nur Zugang zu Mikrokrediten, sondern auch Sparkonten oder Versicherungen erhalten, um sich langfristig eine solide finanzielle Basis schaffen zu können.
In allen Fällen sind sozial-ökologische Mindeststandards notwendig, allen voran ein starker Kundenschutz. Die Angebote sollten verständlich sein. Es muss ausgeschlossen werden, dass die Menschen Land in unverhältnismäßigem Umfang als Sicherheit hinterlegen müssen und damit ihre Lebensgrundlage riskieren. Diese Bedingungen bringen einen echten Mehrwert für Kund*innen.
Bereits vor der Auflage des GLS AI-Mikrofinanzfonds 2015 habt ihr eine Studie zur Wirkung von Mikrofinanz in Entwicklungsländern beim SÜDWIND-Institut beauftragt. Worum ging es euch damals?
Ricarda Rösch: Als 2015 klar wurde, dass die GLS Bank einen eigenen Mikrofinanzfonds auflegen würde, erkannten wir, dass sie hierfür eine gute wissenschaftliche Basis benötigt. Dabei trieb uns vor allem die Frage um, nach welchen Kriterien die Mikrofinanzinstitute, an die wir Kredite vergeben, ausgewählt werden können. Das Ziel war dabei, nicht nur das Risiko einer negativen sozialen und ökologischen Wirkung unserer Kredite zu minimieren, sondern auch ein möglichst mehrwertiges Angebot zu schaffen. Die Studie lieferte dafür wichtige Orientierungspunkte.
So nutzen wir seitdem beispielsweise den MIMOSA Index, der die Übersättigung von Mikrofinanzmärkten misst, bei der Auswahl von Mikrofinanzinstituten. Es ist davon auszugehen, dass weniger positive Wirkung erzielt wird, wenn es bereits ein übergroßes Angebot an Mikrofinanzkrediten in einem Land gibt. Dann sind vermutlich auch die Risiken nachteiliger Auswirkungen höher. Beispielsweise kann es passieren, dass Mikrofinanzinstitute stark um Kund*innen konkurrieren und zu lasch bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit sind. Das wiederum birgt ein hohes Überschuldungsrisiko.
Daher haben wir in der Vergangenheit nur in übersättigte Märkte investiert, wenn uns die Mikrofinanzinstitute wirklich überzeugt haben – beispielsweise durch Angebote für marginalisierte Gruppen oder besondere Weiterbildungsangebote.
Warum war es jetzt an der Zeit für eine weitere Studie?
Ricarda Rösch: In den letzten Jahren haben wir einige Veränderungen im Mikrofinanzsektor beobachtet. So haben die Zunahme digitaler Angebote, die Coronakrise oder die Überschuldungskrise in Kambodscha neue Fragen aufgeworfen. Wir verstehen es als unsere Mission – und auch als Auftrag unserer Kund*innen – Geld dorthin zu bringen, wo es unter sozial-ökologischen Gesichtspunkten am besten wirken kann. Daher hatten wir den Eindruck, dass es einer erneuten Auseinandersetzung mit dem Stand der Wissenschaft zur Wirkung von Mikrofinanz bedarf.
Besonders bewegt haben uns aber auch die aktuellen Debatten um Impact Investing. Wir registrieren, dass viele Fondsanbieter ihre Finanzprodukte relativ unkritisch als impactstarke Angebote klassifizieren. Wir haben hier einen anderen, höheren Anspruch. Wir wollten das Impact-Potenzial von Mikrofinanz-Angeboten noch besser erfassen und haben daher die neue Studie beim SÜDWIND-Institut in Auftrag gegeben.
Wie nutzt ihr die neuen Erkenntnisse nun konkret für die Auswahl der Mikrofinanzinstitute im GLS AI – Mikrofinanzfonds?
Ricarda Rösch: Wir haben bereits bei Fondsauflage die Erkenntnisse der ersten Studie umfassend in die Anlagerichtlinien einfließen lassen. Diese Anlagerichtlinien stellen seitdem die Leitplanken für Investitionen in Mikrofinanzinstitute dar. In ihnen sind bereits umfangreiche Ausschlusskriterien definiert, um negative Wirkungen zu vermeiden. Wir investieren nicht in Institute, bei denen wir ausbeuterische Kinderarbeit, den Raubbau an Wäldern, die Gefährdung oder Verletzung von Indigenen Landrechten oder eine intransparente Kostengestaltung für Endkreditnehmer*innen feststellen.
Zugleich haben wir Positivkriterien definiert, die uns bei der Auswahl von Instituten leiten. Institute sollen nicht einfach nur Kredite anbieten, sondern im besten Falle auch Sparkonten, Weiterbildungen und Schulungen, spezielle maßgeschneiderte Angebote für Frauen etc.
Auch die Ergebnisse der neuen Studie möchten wir gezielt für die künftige Auswahl von Mikrofinanzinstituten nutzen. Wir werden unsere Positivkriterien schärfen und mit aussagekräftigen Indikatoren unterfüttern, die sich an die in der Studie zusammengefassten wissenschaftlichen Erkenntnisse anlehnen. Aber auch auf der Negativseite werden wir unsere Anlagekriterien reflektieren und den Schutz von Kund*innen noch mehr in den Fokus stellen.
Was sind also die nächsten Schritte nach Studie 2?
Ricarda Rösch: Mit den Orientierungspunkten aus Studie 2 befinden wir uns in einem Prozess, aus dem wir mit aktualisierten und evidenzbasierten Anlagerichtlinien hervorgehen möchten. Wir machen uns auf diesen Weg, um den Änderungen des Marktumfelds Rechnung zu tragen und den regulatorischen Anforderungen zu genügen. In erster Linie jedoch wollen wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Wir freuen uns schon sehr darauf, die finalen Ergebnisse präsentieren zu können.
Wann wird das sein und wie bekommen unsere Kund*innen das mit?
Ricarda Rösch: Wir rechnen damit, dass die Überarbeitung bis spätestens Ende 2023 abgeschlossen sein wird. Wir haben im Zuge der Transparenz vor, die neuen Anlagerichtlinien zu veröffentlichen, so dass sich die Kund*innen und Interessent*innen dann selbst ein Bild machen können.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
Ihr könnt euch unter Mikrofinanz gar nicht so viel vorstellen? Dann lest unseren Beitrag aus Mai 2022, in dem wir auf viele verschiedene Projekte eingehen.
Dieser Text hat einzig Informationscharakter.
Alleinige Grundlage für den Kauf von Fondsanteilen sind die Verkaufsunterlagen (die wesentlichen Anlegerinformationen, der aktuelle Verkaufsprospekt inklusive Anlagebedingungen sowie der letztverfügbare Halbjahres- und Jahresbericht). Eine aktuelle Version der Verkaufsunterlagen in deutscher Sprache erhalten Sie kostenlos in Papierfassung bei der jeweiligen Verwahrstelle, der jeweiligen Kapitalverwaltungsgesellschaft und der Vertriebsgesellschaft sowie im Internet unter ipconcept.com und gls.de.
Hinweise auf die vergangene Wertentwicklung sind kein Indikator für künftige Ergebnisse und garantieren nicht notwendigerweise positive Entwicklungen in der Zukunft. Hinweise zu Chancen und Risiken entnehmen Sie bitte den aktuellen Verkaufsunterlagen.
Schreibe einen Kommentar