Sieben Jahre Fukushima: Ein Beschluss macht noch keinen Atomausstieg

Vor sieben Jahren, direkt nach Beginn der Katastrophe von Fukushima, hat der Bundestag den Atomausstieg beschlossen.

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Ein Gastbeitrag von Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt

Immer häufiger treffe ich auf Menschen, die davon ausgehen, dass längst alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind. Doch die Realität sieht gänzlich anders aus: Deutschland ist in der EU nach Frankreich noch immer auf Platz 2 der Atomstrom-Produktion (rund ein Drittel) und das wird auch noch einige Jahre so bleiben – von wegen Atomausstieg.

2011 wurde nur knapp die Hälfte der AKW abgeschaltet. Dass es überhaupt so weit kam, ist ein großer Erfolg der vielen Menschen, die sich damals an den Protesten der Anti-Atom-Bewegung beteiligt haben. Doch neun große Reaktorblöcke liefen weiter, von denen bis heute nur zwei vom Netz sind. Die meisten Atomkraftwerke sollen jetzt noch bis 2022 laufen.

Doch in der Öffentlichkeit sind die Gefahren der Atomkraft kaum noch Thema. So als würde alleine schon die Festlegung von Abschalt-Zeitpunkten die alten Meiler weniger gefährlich machen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Je älter die Kraftwerke werden, umso störanfälliger sind sie. Der Super-GAU ist jeden Tag möglich und seine Wahrscheinlichkeit nimmt zu.

Ausstieg statt Atomausstieg

In gewisser Weise ist es ein fataler PR-Coup, dem jahrelangen riskanten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken einfach das Label „Ausstieg“ zu verpassen – und schon ist ein Teil der kritischen Öffentlichkeit besänftigt. Und dies, obwohl inzwischen sogar der Ausbau der erneuerbaren Energien durch noch laufende AKW ausgebremst wird – weil diese mit ihrem Atomstrom schlicht und einfach die Netze verstopfen.

Dazu kommt: die beiden Atomfabriken in Lingen und Gronau sind vom Ausstieg ganz ausgenommen und laufen weiterhin mit unbefristeter Betriebsgenehmigung. Dort wird weiter Brennstoff für AKW auf der ganzen Welt hergestellt, etwa für die belgischen Schrottreaktoren in Tihange und Doel.

Völlig ungelöst ist weiterhin die Frage, wie der Atommüll möglichst sicher gelagert werden kann. Auch nach über fünf Jahrzehnten Atomenergie-Nutzung in Deutschland fehlt ein Ort, an dem die radioaktiven Stoffe für eine Million Jahre keinen Schaden anrichten können. Wir vererben das Problem an unsere Nachkommen – und produzieren trotzdem immer noch weiter.

Nach vier Jahrzehnten Streit um den denkbar ungeeigneten Salzstock Gorleben hat 2017 ein neues Suchverfahren für ein geologisches Tiefenlager begonnen. Doch erneut macht die Politik den Fehler, den Betroffenen keine Mitbestimmungsrechte einzuräumen, obwohl die Anwohnerinnen und Anwohner am Ende das Risiko tragen müssen. Konflikte sind vorprogrammiert.

Geklärt ist inzwischen, wer für die Folgekosten der Atomkraft geradestehen muss: Da sich die AKW-Betreiber im letzten Jahr mit einer Einmalzahlung aus der Verantwortung für den Atommüll herausgekauft haben, muss bei steigenden Kosten die Allgemeinheit zahlen.

Es gibt also weiterhin viele Gründe, sich in die Atompolitik aktiv einzumischen.

Jochen Stay

Jochen Stay, ausgestrahltDer Autor ist Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und seit über 30 Jahren gegen Atomkraft aktiv. .ausgestrahlt unterstützt Atomkraftgegner*innen darin, aus ihrer Haltung öffentlichen Protest zu machen.

Mehr Informationen auf der .ausgestrahlt-Webiste

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Eine Antwort zu „Sieben Jahre Fukushima: Ein Beschluss macht noch keinen Atomausstieg“

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