Diese Woche hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau des einzigen derzeit in der EU zum Anbau zugelassenen Gentechnik-Mais (Mon810 von Monsanto) in Deutschland verboten. Der Anfang vom Ende der Agro-Gentechnik in Deutschland? Neue wissenschaftliche Studien belegten, dass Mon 810 der Umwelt schaden kann, sagte Aigner. Das Verbot sei „keine politische“ sondern eine „rein fachliche“ Einzelfall-Entscheidung. So gesehen steht die politische Entscheidung weiterhin aus.
Diese Woche hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau des einzigen derzeit in der EU zum Anbau zugelassenen Gentechnik-Mais (Mon810 von Monsanto) in Deutschland verboten. Der Anfang vom Ende der Agro-Gentechnik in Deutschland? Neue wissenschaftliche Studien belegten, dass Mon 810 der Umwelt schaden kann, sagte Aigner. Das Verbot sei „keine politische“ sondern eine „rein fachliche“ Einzelfall-Entscheidung. So gesehen steht die politische Entscheidung weiterhin aus.
Das Verbot wenige Tage vor der diesjährigen Aussaat ist ein Riesenerfolg für alle, die dem Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft kritisch gegenüberstehen. Auch die Zukunftsstiftung Landwirtschaft und ihr Kampagnenbüro „Save Our Seeds“ gehört zu diesem großen Kreis und beteiligt sich besonders mit der Aktion Bantam-Mais, dem Informationsdienst Gentechnik und der Kampagne zur Reinhaltung des Saatgutes von gentechnischer Verunreinigung aktiv an der politischen Debatte um die Agro-Gentechnik. Erst im März war es uns mit vereinten Kräften gelungen, die Regierung in letzter Minute dazu zu bewegen, im Ministerrat der Europäischen Union die Aufhebung von nationalen Anbauverboten des Mon810 in Österreich und Ungarn abzulehnen. 20 Staaten überstimmten mit einer knappen 2/3 Mehrheit dieses Ansinnen der EU-Kommission. Ein Erfolg unseres europaweiten Netzwerkes der gentechnikfreien Regionen. Jetzt sind wir einen entscheidenden Schritt weiter: Deutschland ist das sechste EU-Land, das Mon 810 verbietet.
Geplant war der Anbau auf 3600 Hektar (weniger als 2 Promille der gesamten Anbaufläche von 2 Millionen Hektar). Bisher geht es also eher um das Prinzip. Und es geht auch um die Frage, ob die mögliche Auskreuzung des Gentechnik-Mais auf benachbarte Felder und auch die Verunreinigung von Honig in den betroffenen Gegenden in einem vernünftigen Verhältnis zu dem versprochenen Nutzen von Mon 810 steht. Der Mais produziert ein Gift gegen Schmetterlingsraupen, darunter auch den Maiszünsler, der in feucht-warmen Gegenden bei monokulturellem Anbau von Mais zum Problem werden kann. Er vergiftet aber nicht nur die „Zielorganismen“ sondern auch „Nicht-Zielorganismen“, das Gift reichert sich im Boden an und außerdem wirkt es sichtlich anders als sein natürliches Vorbild, das aus dem Bodenorganismus „Bacillus Thuringiensis“ gewonnen wurde, dessen Gene künstlich in den Mais übertragen wurden.
Der wissenschaftliche Streit um mögliche Schäden ersetzt seit Jahren zu einem guten Teil die politische und gesellschaftliche Diskussion über Nutzen und Gefahren des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft. So schieben die Politiker der Wissenschaft Entscheidungen zu, die sie vielleicht besser selbst treffen sollten. Eine Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) gilt ihnen als unabhängige Entscheidungsinstanz. Doch Wissenschaftler, zumal jene, die selbst als Gentechniker arbeiten und deshalb – möglicherweise zu Unrecht – als besonders kompetent für die Beurteilung der Risiken gelten, haben auch eigene Interessen und sie haben ihren eigenen Horizont. Bis zum Beweis der Schädlichkeit, so lautet ihr ungeschriebenes Gesetz, gilt die Technologie als sicher.
Das widerspricht dem Empfinden und der Sichtweise der Mehrheit der Bevölkerung, die seit Jahren mehrheitlich gegen den Einsatz der Gentechnik im Freiland und in Lebensmitteln (nicht aber beispielsweise in der Medizin) ist. Vielen geht es auch keineswegs allein um Sicherheit, sondern um ethische Grundsätze und auch um handfeste wirtschaftliche Fragen: Ein einziger Konzern (Monsanto) beherrscht 90 Prozent des gentechnischen Saatguts und kontrolliert ein Drittel des gesamten internationalen Saatgut-Marktes. Ist das eine sinnvolle Entwicklung? Sind die Patentansprüche, die auf Lebewesen (Pflanzen und Tiere) erhoben werden, die enge Verknüpfung von Pestiziden und Saatgut, die Agrarkonzerne wie Monsanto, Syngenta, Bayer und BASF vorantreiben und die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft der richtige Weg in die Zukunft? Kommen die ökologischen Innovationen in der Landwirtschaft dabei nicht unter die Räder? Soll die Regierung das mit Millionen an Forschungsmitteln und riskanten Zulassungen fördern? Ist eine Technologie, die darauf ausgelegt ist, großen Betrieben mehr zu nützen als kleinen der richtige Weg? Können wir es uns in Zeiten von Klimakrise und ansteigendem Hunger auf der Welt leisten, auf zweifelhafte high-tech Lösungen zu setzen anstatt uns auf längst bekannte und verlässliche Verbesserungen zu konzentrieren? Lenken die Heilsversprechen der Gentechniker, die seit zwanzig Jahren nicht erfüllt wurden, vielleicht eher von den wesentlichen Lösungsansätzen ab?
All dies sind eminent politische Fragen, auf die es auch nur politische Antworten geben kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und auch Unternehmen sollten sich daran natürlich beteiligen. Aber die Entscheidung müssen wir selbst und unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter in Parlamenten und Regierungen treffen – demokratisch, nicht technokratisch. Die Entscheidung der Wissenschaft zuzuschieben ist deshalb politisch falsch. Sie schadet nicht zuletzt auch der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft selbst. Eine Studie über die schädlichen Auswirkungen von Mon 810 auf Marienkäfer, die jetzt eine zentrale Rolle bei dem Verbot spielte, wird überfrachtet, wenn sie den Ausschlag geben soll.
Deshalb freuen wir uns über das Verbot von Mon 810, das natürlich trotz anderslautender Beteuerungen in erster Linie eine politische Entscheidung war. Ein guter Einstieg in eine politische Debatte über die weitere Zukunft der Agro-Gentechnik, in der Bauern und Politiker, Wissenschaftler, Unternehmen und Verbraucher ihre jeweilige Verantwortung übernehmen und in der alle Argumente auf den Tisch kommen und bedacht werden.
Benny Haerlin (Save Our Seeds, Zukunftsstiftung Landwirtschaft, GLS Treuhand)
Schreibe einen Kommentar