2. Gründungsworkshop für eine Förderinstitution für Kunst und Kultur
Der Aufzug war ausgefallen. Es blieb die Treppe – bis in den fünften Stock. Oben angekommen, war man bereits außer Atem, aber warm für einen Tag, der noch viel Temperatur entwickeln sollte. So begann Anfang Dezember 2017 unser zweiter Gründungsworkshop im Institut für Kultur- und Medienmanagement der Hamburger Hochschule für Musik und Theater im lichten Seminarraum mit Blick über die Dächer Altonas.
Förderinstitution – Viel Vorarbeit
Die Gründertruppe: Studierende aus den Universitäten (bzw. Hochschulen) Witten-Herdeke, Leuphana, Zeppelin, KMM Hamburg und Alanus sowie die Dozenten Tille Barkhoff (freischaffende Eurythmistin), Matthias Zaiser (Geschäftsführer der GTS-Hamburg) und Amadeus Templeton (TONALi Gründer). In diesem zweiten Treffen sollten wir so richtig zur Sache kommen. Und was ist „diese Sache“? Wir sind dabei, eine innovative, gemeinnützige Förderinstitution für Kunst und Kultur der GLS-Treuhand zu erfinden und zu begründen. In Vorbereitung auf den zweiten Workshop recherchierten wir persönlich und in kleinen Gruppen zu modernen, freiheitlichen, auch digitalisierten Formen der Kunstförderung, zu erfolgreichen Fundraising-Ideen, zu dem, was eine neue Förderinstitution ausmachen könnte und was nötig wäre, um eine stets bedürftige Kunstszene zu stärken, die unsere Gesellschaft belebt und menschlicher macht.
Intensivprogramm
Der Workshop-Vormittag bestand aus knackigen 5-Minuten-Präsentationen, regen Diskussionen und der Entwicklung von Fragen für einen nachfolgenden Impulsvortrag von Prof. Dr. Andreas Köster (KMM Hamburg) über die rechtlichen Konsequenzen verschiedener Stiftungsformen und das komplexe Thema Gemeinnützigkeit. Am Nachmittag wurde im Plenum gedacht, gebrainstormt, argumentiert, debattiert.
Nach einigen Kontroversen in ziemlich aufgeladener Stimmung wurde dann doch deutlich, dass wir Ansichten teilen und Schnittmengen bilden können. Werden diese umsetzbar sein? Wir arbeiteten fast ohne Pause weiter, bis wir endlich eine Grundstruktur fanden, die bis zum nächsten Treffen im Detail ausgearbeitet werden soll. Über einige Gedanken herrschte unter uns Einigkeit: z. B., dass zu starre und bürokratische Strukturen zu vermeiden sind. Dass Künstlern und Kulturmanagern unnötiger Aufwand bei der Antragstellung zu ersparen ist. Dass das gefördert werden soll, was aus künstlerischen Werten gesellschaftliche Werte werden lässt.
Hohe Kunst der Gründung
Der Workshop-Tag führte uns einerseits an unsere Grenzen, andererseits verdichtete er aber auch den überaus anspruchsvollen Gründungsprozess. Unsere Wangen waren rot, als wir aus der Vielfalt der Möglichkeiten schließlich die drei Spuren herausgeschält hatten, die wir weiter verfolgen wollen:
Wir vereinbarten die nächsten Schritte, nahmen uns als Studierende vor, uns in Kleingruppen zu organisieren und den kommenden Workshop unter den drei priorisierten Ansätzen gründlich vorzubereiten. Mit neuen Impulsen für die Weiterarbeit verabschiedeten wir uns, um dann durch die kalte Hamburger Nordluft zur Bahn zu laufen.
3 Ansätze als Ergebnis
Ansatz 1: Open-Source-Konto / „Freies Geld“ für „freie Kunst“ (1)
Was ist das freieste Geld?
– Die Schenkung.
Was ist das freiste Geld für Kunst?
– Das Geld, über das niemand anderes als der Künstler selbst entscheidet.
Was bringt den Freiheitsgedanken auf den Punkt?
– Ein Konto, das ausschließlich der Kunst selbst gehört; ein Konto, in das jeder einzahlen und von dem jeder abheben kann. Das „Jeder“ ist dabei definiert, da nur der Zweck (Kunst- und Kulturförderung) bestimmt, für wen das Geld ist.
Was reguliert den Geldfluss, bzw. was kontrolliert ihn?
– Eine maximale Transparenz über alle Kontobewegungen, eine digitalisierte Blockchain-Systematik, das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Missbrauch.
Was macht das Konto für den Geldgeber interessant?
– Der „Verantwortung schulende Bewusstseinsprozess“, der auf Seiten der Einzahler als auch der Abheber in Gang kommt. Der konsequente Freiheitsgedanke, der Geld in seiner eigentlichen Bestimmung neu definiert.
Ansatz 2: Mit der Blockchain Kunst & Kultur-Ermöglicher*in werden (2)
Was ist die Blockchain?
– Seit dem Hype um die digitale Währung Bitcoin ist die dahinter stehende Technologie, die Blockchain ebenso im Gespräch. Die Blockchain ist eine digitale, sich selbst verwaltende Datenbank mit dem Versprechen, den Nutzer*innen die Macht über ihre eigenen Daten zurückzugeben – die demokratische Selbstverwaltung von Geschäftsprozessen. Dies erreicht die Blockchain indem sie partizipativ (alle können teilnehmen), dezentral (die Daten sind auf viele Computer verteilt, wodurch die Sicherheit erhöht wird) und transparent (Jede*r Teilnehmer*in kann die gesamte Transaktionshistorie bis zum Punkt Null nachlesen.) ist.
Welche Möglichkeiten bietet die Blockchain?
– Die Blockchain kann für Geschäftsprozesse eine echte Innovation sein, indem Verträge, Zahlungen, Versicherungen und Bonitätsprüfungen kostengünstig, rechtssicher und demokratisch (ohne zentralen Vermittler) abgeschlossen werden können.
Ist die Blockchain-Technologie auch etwas für den Kunst- & Kulturbereich?
– Der Frage, ob und wie diese Technologie auch in Form einer sich selbst verwaltenden Förderinstitution für den Kunst- & Kulturbereich der Zukunft möglich ist, geht die „Gründungstruppe“ gerade nach. Dabei gibt es noch viele Hürden zu überwinden, da die Blockchain auch kein Allheilmittel ist. So stellt sich die Frage nach den zwischenmenschlichen Verbindungen, die Kunst- und Kulturförderung ausmachen, sowie dem hohen Stromverbrauch der neuen Technologie. Am 24.04.18 werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert. (1)
Ansatz 3: „Gesprächsräume mit Künstlern und kreativen Kulturmanagern“ (3)
Was macht die Kleinst-Agentur interessant?
– Menschen der Förderinstitution der GLS Treuhand schaffen Events und Räume, in denen Künstlern und Förderern ins Gespräch kommen können. Denn gerade wenn es um Kunst geht, kann digitale Vernetzung die reale Menschen-Begegnung nicht ersetzen. Künstlerische und soziale Intuitionen brauchen das reale Gespräch. Win-Win-Situationen für Künstler, Publikum und weitere Einrichtungen wie kleine Theater, Schulen etc. könnten zusammen mit den anfragenden Künstlern erarbeitet werden.
Wie arbeitet die Kleinst-Agentur zur virtuellen Vernetzung?
Die „Kleinst-Agentur“ kann die digitale Vernetzung ergänzen, indem sie deren Vernetzung und Bekanntmachung von Kunstproduktionen wahrnimmt und ergänzend dazu Möglichkeiten für reale Begegnungen und künstlerischen Austausch schafft. Und indem sie im Gespräch auf die virtuellen Möglichkeiten aufmerksam macht und diese dadurch weiter entwickelt.
Wie wäre die Kleinst-Agentur strukturiert?
– Die „Kleinst-Agentur“ sollte von einem Beirat von Kulturfachleuten beraten werden, dessen Besetzung z.B. in einem 2 Jahresrhythmus rotiert. Sie könnte dann fundiert beraten und unterschiedliche Blickwinkel in den Förder-Entscheidungen einbeziehen. Sie könnte mit dem jeweiligen Beirat auch Bienalen veranstalten, um die Fördertätigkeit sichtbar, und neue Begegnungen möglich zu machen.
Was wären die nächsten Schritte?
– Möglichkeiten einer Finanzierung dafür zu finden und aufzubauen.
Autor: Mathieu Vincent, geb. in Frankreich. Abschluss des Eurythmiestudiums an der Alanus Hochschule. Erste berufliche Erfahrungen in einer Schweizer Schule sowie erste Bühnentätigkeit im Eurythmietheater Orval, Hamburg. Gründung eines Eurythmie-Ensembles in Bonn von Absolventen der Alanus Hochschule.
Co-Autoren: Tille Barkhoff und Amadeus Templeton
(1) Antworten : Amadeus Templeton, diplomierter Cellist und Kulturmanager. Gründer des Klassikmagazins concerti, Geschäftsführender Gesellschafter des mit dem ECHO Klassik 2017 ausgezeichneten Kulturprojektes TONALi sowie der gemeinnützigen Künstleragentur TONALiSTEN. Produzent von drei Kino-Filmen, Dozent an diversen Hochschulen und Universitäten, Festival-Leiter und Konzertdesigner.
(2) Antworten: Theo Haustein, geb. in Berlin. Aktuell Kultur- und Medienmanagement Master an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. B.A. Kulturwissenschaften & BWL an der Leuphana Universität Lüneburg. Gründung des Kulturvereins Zum Kollektiv zur Vernetzung von Stadt und Universität durch Zwischennutzungen in Lüneburg. Praktische Erfahrungen in den Bereichen Kultur und Wirtschaft, freiberufliches Eventmanagement und Webdesign.
Jana Popihn, Masterstudentin Kultur- und Medienmanagement am Institut KMM Hamburg, vorheriger Abschluss in Darstellendem Spiel und English Studies (Bachelor of Arts). Praktische Erfahrungen im Bereich Regie- und Projektassistenz, sowie Festival- und Produktionskoordination im Bereich Tanz und Theater.
(3) Antworten: Tille Barkhoff heute tätig als freischaffende Eurythmistin in Hamburg. Heileurythmistin und MA Pädagogik-Eurythmie an der Uni Plymoth. Veröffentlichungen zur Eurythmie-Päd. Langjährige Künstlerische Tätigkeit mit der Eurythmie-Bühne HH, dem Eurythmeum Stuttgart und freie künstlerische Projekte im In- und Ausland. Langjährige leitende Dozententätigkeit in verschiedenen Eurythmieausbildungen.
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