Gemeinsam mit Studierenden von fünf Hochschulen wollen die GLS Treuhand und die Gemeinnützige Treuhandstelle Hamburg eine Förderinstitution für Kunst und Kultur entwickeln. Ein künstlerischer Prozess von Anfang an. Vom ersten Workshop im Oktober 2017 hier einige Impressionen von Clara-Michaela Dvořák .
Ich sitze im fünften Stock des Alten Finanzamtes Altona in Hamburg, einem etwas heruntergekommenen Gebäude, wo unter anderem das „KMM“ – Institut für Kultur- und Medienmanagement – beheimatet ist. Mit mir sitzen noch weitere zehn Studierende aus fünf Universitäten im Tischrund des mittelgroßen Seminarraums. Gerade leitet Moderator und Mitorganisator Amadeus Templeton in das erste Treffen ein: „Wir wollen gemeinsam mit Euch eine neue Förderinstitution für Kunst und Kultur gründen. Dabei ist alles noch völlig offen. “
„Die Wand ist noch weiß.“
Ich stutze bei diesen Worten und merke im Laufe des Tages, diese weiße Wand hat bereits Profilierungen und durchscheinende Farbe.
Auch die anderen beiden Initiator*innen des Gründungsprozesses haben bereits einige Vorstellungen. Tille Barkhoff, Eurythmistin und Treuhandratsmitglied, ist die schöpferische Kraft der Kunst wichtig. „Die Förderinstitution soll eine Kunst- und Kulturförderung möglich machen, die künstlerische Verantwortung sucht und auch die künstlerische Seele unserer Gesellschaft aktiviert.“ So der Wortlaut des Visionspapiers.
Geschäftsführender Vorstand der Gemeinnützigen Treuhandstelle, Matthias Zaiser stellt Gemeinschaft und Neuerschaffung in den Vordergrund. „Insbesondere Impulsgeber sollen profitieren, die neue Kunst- und Kulturansätze entwickeln, multiplizierende Prozesse auslösen und in der Lage sind, durch Kunst menschliche und gesellschaftliche Werte entstehen zu lassen.“ Und Nikolai Fuchs, Vorstandsmitglied der GLS Treuhand, spricht von „nährendem Humus“ als Metapher für „Kunst und Kultur“.
„Die Kunst als Nährboden für eine offene, freie und kreative Gesellschaft.“
Auch Amadeus Templeton lenkt uns – bewusst oder unbewusst – in eine bestimmte Richtung. Er ist Gründer der TONALi gGmbh, die junge talentierte Musiker*innen als Musikvermittler*innen in Schulen aktiv werden lässt. Sie begleiten Schüler*innen bei der Organisation großangelegter Konzerte. Dabei erschließt sich gleich neues Publikum für klassische Musik. Finanziert wird das Ganze aus Spenden von Mäzen*innen, Klassik-Stars und Veranstalter*innen. Dieser Input lässt auch uns über eine Förderung „Künstler*in für Künstler*in“ nachdenken.
An Ideen mangelt es nicht. In unserer Institution, dessen Rechtsform noch offenbleibt, könnten Künstler*innen verschiedener Sparten die Leitung übernehmen, im Auswahlgremium sitzen oder das Programm der Institution vorgeben. Man könnte „Headhunter“ ins Feld schicken, die Künstler*innen an entlegensten Orten für eine Förderung suchen, ganz nach der Devise „Förder*in sucht Kunst“. Und überhaupt wäre eine breite Definition von „Künstler*in“ denkbar. Die Zeit ist knapp, in nur drei Workshop soll eine neue Förderinstitution entstehen. Da tut Kreativität und Begeisterung Not. Man spürt beides bei den vier Initiator*innen im Raum. Sie ist ansteckend. Ich lasse mich darauf ein, es wird menschlicher, vertrauter. Als es in kleinen Austauschgruppen um den eigenen Geldbezug geht, kommen wir auf die Kindheit zu sprechen – als Geld noch eine Selbstverständlichkeit war und plötzlich nach der Scheidung nicht mehr. Dann kommen wir zu den Themen Leihen und Schenken: Gibt es überhaupt wahre Schenkung? Ist diese nicht immer an noch so kleine Gegenleistungen geknüpft und wenn es nur die sichtbare Dankbarkeit ist? Die Fragen verleiten uns zu Fantastereien.
„Wie wäre es, wenn wir einmal den Spieß umdrehen würden, nicht mehr in Wirtschaft, sondern in die Kultur „investierten?“
Was wäre, wenn die Kunst keinem Legitimationszwang ausgesetzt wäre? Wenn beim BWL- und nicht beim Philosophie-Studium die Frage käme „Ja, und was macht man nach dem Studium damit?“ Wie wäre es also, eine ganz neue Gesellschaft zu erfinden?
Heute fehlt uns die Zeit, um unsere Luftschlösser noch weiter auszubauen, denn jeder der drei Workshops geht nur einen Tag.
Nein, wir haben hier keine weiße Wand vor uns, sondern eher ein Gemälde von Jackson Pollock – bunt, wild durcheinander und noch dem Zufall überlassen. Jede*r von den hier Versammelten hat einen anderen Fokus, andere Vorerfahrungen und auch die so vagen Wörter „Kunst“ und „Kultur“ lassen sich sehr unterschiedlich definieren. Die einen sehen Kunst als Reflexionsraum, die anderen als Mittel für mehr gesellschaftliche Teilhabe, manche unterscheiden Kunst von Kultur, andere werfen weitere abstrakte Konzepte, wie „Natur“ und „Bildung“ in den Raum. Die Kunst soll nicht bewertet werden, wie das Visionspapier sagt, sondern eine Wirkung in der Gesellschaft haben. Diese Wirkung kann darin bestehen, dass Kinder Instrumente erlernen, sich Musik selbst aneignen oder – ganz anders – in der Irritation von bestehenden Konventionen und Rollenverständnissen, sei es im Bereich Gender oder dem Umgang mit Geld.
Wir lassen diese Farbprächtigkeit so stehen und ordnen sie jede*r für sich bis zum nächsten Workshop am 2. Dezember 2017, wo die Luftschlösser bodenständige Grundstrukturen bekommen.
Es ist ein Versuch, ein Experiment und ich bin neugierig auf die weitere Entwicklung.
Clara-Michaela Dvořák studiert an der Universität Witten/Herdecke den Master „Doing Culture. Bildung und Reflexion kultureller Prozesse.“ Gerade schreibt sie an ihrer Masterarbeit zu Narrativen und Netzwerk der Plattform „Zukunftsakademie NRW“, wo sie studentische Assistentin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist. Vor allem aus der Zukunftsakademie, die sich selbst mit Kulturförderung beschäftigt, zieht sie ihre Ideen.
Idee und Vision der neuen Förderinstitution für Kunst und Kultur
Titelfoto: Lena Korte-Riepe
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