Dr. Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des BUND und Mitglied des Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung, war in dieser Woche zu Gast in der GLS Bank Bochum, um die von BUND, Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst herausgegebene Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ vorzustellen. Das Besucherinteresse übertraf alle im Vorfeld gehegten Erwartungen: es waren fast 200 Gäste anwesend.
Von der Nachhaltigkeitsrhetorik zur Zukunftsfähigkeit
Angelika Zahrnt forderte einen Wechsel von kurzfristiger Hektik hin zu langfristiger Planung. Zurzeit sei der allgemeine Lebensstil noch geprägt durch kurzfristiges Denken und ein „Leben auf Pump“. Dies führe nicht nur durch die Ausbeutung der Natur zu einem Kollaps, der nicht mehr rückgängig zu machen sei, sondern leite auch gradewegs in Krisen wie der aktuellen an den Finanzmärkten.
Die Notwendigkeit einen nachhaltigen Lebensstil im Bewusstsein der Menschen zu verankern, führte 1996 zur ersten Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“. Nachdem das Thema „Nachhaltigkeit“ mit der „Rio-Konferenz“ ihren Eingang in die Politik erhielt, untersuchten die Verfasser der Studie vier Jahre später, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit zusammentreffen.
Die Bilanz fiel nicht eindeutig aus. Einige Forderungen wurden erfüllt, wie die „Ökologische Steuerreform“, andere dagegen nicht, wie das Ziel „100% ökologischer Landbau bis 2010“ zeige. Insgesamt, so Zahrnts Fazit, sei Deutschland weit davon entfernt, die Probleme ernst zunehmen. Weit die Hälfte der Ziele werden nicht erfüllt. So habe sich der co²-Ausstoß in den letzten Jahren sogar erhöht.
Dass die ökologischen und sozialen Probleme mit eindimensionalen Strategien zu lösen sind, sei jedoch ein Trugschluss. So würde bei vielen Konzepten zwar oft von „win-win-win-Situationen“ gesprochen, die alle drei Säulen einer nachhaltigen Entwicklung (Ökonomie, Ökologie, Soziales) gleichermaßen positiv beeinträchtigen. In der Realität sei allerdings bei Konfliktsituationen eine eindeutige Rangfolge gegeben: So hätten ökonomische Ziele den Vorrang vor sozialen, und diese wiederum vor ökologischen.
Das müsse sich ändern, so die Forderung von Zahrnt. Zudem sei die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf Wachstum auf Dauer nicht tragbar. Das Motto „weiter, schneller, mehr“ müsse sich ändern, und könnte in Zukunft zum Beispiel „besser, anders, weniger, schöner“ lauten. Drei Prinzipien seien dafür maßgebend:
I. Dematerialisierung:
Produkte müssten sinnvoll sein, zudem in effektiven Produktionsprozessen mit 0-Emission hergestellt werden. Hersteller müssten vom Verkauf von Produkten abkehren, hin zum Verkauf von „Nutzen“.
II. Naturverträglichkeit:
Der Übergang zum Solarzeitalter stehe an, bei dem solare Energien und biogene Stoffe die Ressourcenbasis ausmachen. Eine solare Ressourcenbasis begünstige dezentrale, regionale Wirtschaftsstrukturen.
III. Selbstbegrenzung:
Eine Neuorientierung sei notwendig, weg von mehr Gewinn und materiellem Wachstum, hin zu einem neuen Verhältnis von Globalisierung und Regionalität, von Ent- und Beschleunigung, von Güter- und Zeitwohlstand und einem rechten Maß von Raum, Zeit und Dingen.
„Der BUND und seine Partner sind überzeugt, dass Nachhaltigkeitsrhetorik allein nicht weiterführt, dass Nachhaltigkeit nicht so leicht und konfliktfrei zu haben ist, dass ein Kurswechsel in Deutschland nötig ist, der mehr erfordert als sich einen neuen Kühlschrank zu kaufen oder ein Sprit sparendes Auto. Denn es geht um grundlegende Fragen und Änderungen, es geht um neue, globale Übereinkünfte die nötig sind, und zwar nicht nur im Finanzsektor sondern grade auch im Handelsbereich, also um eine Neuregelung der Globalisierung und gleichzeitig um eine Renaissance der Regierungen und einen achtsamen Lebensstil. Gemeinwohl muss den Vorrang vor Gewinninteressen von einzelnen bekommen“, so schloss Angelika Zahrnt den Abend.
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