#glskoop :: Ein Besuch bei „Die Werkstatt – Spielart eG“

Die Blog-Kooperative der GLS-Bank hat mich als eine von bisher 18 Blogger_innen ausgewählt: Die GLS-Bank möchte auf ihrem Blog gerne mehr über durch sie (mit-) finanzierte Projekte berichten. Dafür schickt sie seit einiger Zeit Menschen wie mich in die Betriebe, Vereine und Geschäfte, um einen kleinen, unabhängigen Einblick in das Konzept und die jeweilige Arbeit zu geben. Ich habe mich riesig gefreut, bei der ersten Runde dieser schönen Initiative dabei zu sein! Das Projekt, das das Team der GLS-Bank auf Basis meiner Themen und meines Standortes auswählte, war „Die Werkstatt – Spielart eG“ in Heidelberg.

Es ist ein sonniger Tag in Heidelberg, und ich bin unterwegs, um das von der #glskoop für mich ausgesuchte Projekt anzusehen“ twittere ich, während ich ein unbebautes Gelände in der Nähe von Kirchheim überquere. Mein Ziel: Ein altes Bahnhofsgebäude. Heimat des bereits 30 Jahre bestehenden Betriebs „Die Werkstatt – Spielart eG“.

Ich bin mit Ulrike Gartung verabredet. Sie gehörte bereits zu den sieben Gründungsmitgliedern von Die Werkstatt – Spielart und ist auch heute noch Geschäftsführerin des Betriebs, den sie in- und auswendig kennt. Sie führt mich durch das alte, renovierungsbedürftige Gebäude, dessen bunte Türen und ganz eigener Charme familiär und einladend wirken.

Wer in Heidelberg und der Region mit Kindern oder offenen Augen durch die Gegend läuft,  dem fallen bald individuell gestaltete Spielflächen und -plätze auf. Insgesamt befinden sich etwa 25 dieser kreativ geplanten und liebevoll umgesetzten Kinderspielplätze direkt in Heidelberg, in der Region sind es über 1500. Gleich hier in unserer Nachbarschaft liegt zum Beispiel der Spielplatz des integrativen Kindergartens Pusteblume – wunderschön angelegt, genau an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder angepasst und sehr beliebt. Unter anderem deswegen bin ich schon im Vorfeld begeistert, dass die GLS-Kooperative dieses Projekt für mich ausgesucht hat.

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Zunächst habe ich ganz viele Fragen: Ulrike Gartung erklärt mir, dass zur Zeit etwa 30 Mitarbeiter für den Betrieb arbeiten. Die Idee zur Gründung entstand aus einer dramatischer werdenden Situation: Vor 30 Jahren war die strukturelle Jugendarbeitslosigkeit hoch, die Jugendlichen nach ihrer Schulzeit oft ohne Perspektiven. Ulrike Gartung und ihre sechs Mitstreiter_innen überlegen sich ein soziales Projekt, das Vorzeigecharakter bekommen soll: Sie nehmen beide jungen Generationen in den Blick und schaffen mit dem Bau von Spielplätzen Verdienst- und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche.

Schon bald kann sich die damals als gemeinnütziger Verein gegründete Werkstatt – Spielart über eine gute Auftragslage freuen. Auftraggeber der Spielplätze sind bis heute vor allem die öffentliche und halböffentliche Hand – kirchliche und kommunale Träger, Heime, Parks, Schulen. Die komplette Planung und Umsetzung wird von dem Betrieb selbst geleistet. Dabei orientiert sich der Künstler, wie Ulrike Gartung erklärt, sowohl an der Beschaffenheit des Geländes als auch an der direkten Umgebung. So scheinen sich seine fertig umgesetzten Ideen häufig irgendwie natürlich aus dem Umfeld zu ergeben. Viele fließenden Formen, Mosaikkreationen und individuell gestaltete Spielgeräte aus Holz kommen zum Einsatz. Neben den Sicherheitsstandards, an die sich der Betrieb selbstverständlich halten muss, wird so Raum geschaffen, um auf die Wünsche der Auftraggeber einzugehen.

Was so großartig klingt, ist für beide Seiten jedes Mal ein Abenteuer. Da die Auftraggebenden aus keinem Katalog aussuchen können, orientieren sich beide Parteien bei der Planung an Bildern bereits vorhandener Spielplätze sowie Skizzen. Viele dieser bunten Skizzen zieren die Wände der Büroetage im alten Bahnhofsgebäude. Am Ende stecken in den fertigen Spielplätzen nicht nur jede Menge kreative Ideen, sehr viel handwerkliches Geschick und Schweiß, sondern auch zum Teil intensive Absprachen mit den Kunden.

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Bei der Zusammenarbeit im Team ist den Mitarbeitenden eine flache Hierarchie ebenso wichtig wie das gemeinsame Treffen von Entscheidungen – sowohl über Finanzen und Projekte, als auch über Personal. Und das wächst. Die Genossen sind Fachkräfte: Schreinermeister und Gesellen führen aus, was der Künstler und Planer sich überlegt. Die Geschäftsführerin ist ein Multitalent mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund und handwerklichem Geschick. Und der Betrieb bietet neben der Ausbildung von jungen Menschen auch Qualifikationen für Schwerbehinderte sowie Langzeitarbeitslose. Zum Zeitpunkt meines Besuchs arbeiten drei Gehörlose bei der Werkstatt – Spielart. Die Mitarbeiter haben sich auf die Bedürfnisse eingestellt und zum Teil die Gebärdensprache gelernt. Das allein beeindruckt mich ziemlich.

Ich frage Ulrike Gartung noch ein wenig nach der Struktur aus: Vor kurzem erst, nämlich 2014, hat sich der Betrieb neu gegründet und den gemeinnützigen Verein von ihm getrennt aufleben lassen, mit eigener Geschäftsführung. Der Verein übernahm die Betreuung der vom Betrieb ins Leben gerufenen Bildungsprojekte, unter anderem das Format Bauhütte und die erfolgreichen Auslandsprojekte des Betriebs. Nach wie vor ist die Kooperation sehr eng: Benötigt der Verein Fachpersonal, fragt er beim Betrieb an. Eine der zukünftigen Aufgaben des Vereins wird die längst fällige Sanierung des Bahnhofsgebäudes sein. Ein großer Teil des Gebäudes soll zukünftig für praktische Bildungsprojekte der Werk-statt Schule zur Verfügung stehen.

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Im Anschluss an unser Gespräch führt mich Ulrike Gartung durch die Schreinerei des Betriebs. Ein wenig bedauert sie, dass aufgrund des fortgeschrittenen Nachmittags keine Mitarbeiter für meine Fotos zur Verfügung stehen. Das allerdings macht mir gar nichts, denn erstens störe ich so niemanden und greife mit meinen Fotos nicht in Arbeitsabläufe ein, und zweitens fällt die tief stehende Nachmittagssonne so wunderbar durch die Fenster, riecht das verarbeitete Holz so grandios gut, tanzen ein paar vereinzelte Staubwölkchen so lustig in der Luft vor den Regalen mit Lack und Dekoration, dass ich mir gut vorstellen kann, wie es hier ein wenig belebter wohl zugeht.

Bei meinen Fotos fallen mir die vielen Karten und kleinen Geschenke von Kindern ins Auge. Aufmerksamkeiten von Einweihungsfesten und Belege der umwerfenden Resonanz, die das Team für seine Arbeit erhält.

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Viel effektiver kann man als kleine Gruppe von Menschen die Welt nicht verändern. Ich wünsche der Werkstatt – Spielart eG sowie dem Verein weiterhin so großartige Rückmeldungen und eine so tolle Arbeit.

juneÜber die Autorin: Julia Schönborn schreibt als junaimnetz über das Netz und das, was wir daraus machen. Dabei spielen Menschen, ihre Ideen und ihre Initiativen die Hauptrollen. Nach eigener Aussage mag sie Menschen wirklich gerne. Echt! Für drei kleine dieser merkwürdig-wunderbaren Erdenkinder ist sie sogar mit verantwortlich. Vor kurzem hat sie in den Literaturwissenschaften promoviert. Seitdem arbeitet sie daran, hauptberuflich zu schreiben. Derzeit verfolgt sie dieses Ziel als Texterin und Online-Redakteurin bei einer Firma für Online-Spiele. Ohne die sozialen Medien kann sie nichts, nicht einmal vernünftig einkaufen oder etwas Essbares kochen.

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