Im Auftrag der GLS Blog Kooperative besuchte „Frühstück bei Emma“ das Euro Trainings Center e.V. , ein GLS Kreditprojekt. Auf „Frühstück bei Emma“ bloggt Emma Melzer.
Letztes Jahr hatte die GLS Bank die Blog Kooperative ins Leben gerufen. Ich habe mich damals beworben und hatte das Glück dabei sein zu dürfen.
Heute darf ich über ein Herzensprojekt schreiben … Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie viele Gedanken ich mir gemacht habe und wie schwer ich es finde, alle Emotionen und Erfahrungen in diesen Bericht zu packen …
Ich nehme Euch heute mal mit… einfach mal über den Tellerrand…
Habt Ihr Euch schon gewundert, was das für ein Foto ist …? Ein Supermark! Nein kein gewöhnlicher … zumindest auf den ersten Blick seht ihr es vielleicht nicht.. aber es ist ein ganz ganz toller Supermarkt.
Es gibt einen gemeinnützigen Verein in München. Das Euro Trainings Center e.V. Dieser Verein bietet Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Hinter diesem Verein stehen ganz besonders engagierte Menschen mit dem Herz am richtigen Platz. Ich durfte Sabine Loibl, ein Mitglied des Vorstandes, einen Tag begleiten, und ich kann Euch schon vorab verraten: Am Abend konnte ich gar nicht aufhören, über meinen Tag zu sprechen, weil ich so voller Begeisterung und Emotionen war.
Früh morgens habe ich mich auf den Weg in die Sonnenstrasse 12 gemacht. Vorab hatte ich mich schon eingelesen in die Projekte des Vereines, hatte ein tolles Gespräch mit Frau Loibl und war sehr gespannt, was mich an diesem Tag so erwarten würde.
Die Geschichte der Gründung des Vereins geht auf 1995 zurück. Damals fingen sie als Hausaufgabenbetreuung am Harras an. Mittlerweile arbeiten im Verein 80 Kollegen, davon 63 in Vollzeit, und jede Menge freie Mitarbeiter auf Honorarbasis. Stolz ist der Verein, weil er mittlerweile auch in den Schulen präsent ist.
Inzwischen geht es beim ETC e.V. um Schulbegleitung, Ausbildungsbegleitung, Berufsvorbereitung, Migration, Medien und vieles, vieles mehr.
Ein ganz besonderes Projekt durfte ich dann auch noch näher kennenlernen. München ist schon was ganz besonderes. Meine Stadt ist sauber, sicher, gepflegt … aber es gibt natürlich auch soziale Brennpunkte – vielleicht nicht ganz so auffällig wie in anderen Städten aber vorhanden. Die gehören genauso zu unserer Stadt. Nur verläuft man sich nicht so oft dahin. Sie stehen auch in keinem Reiseführer. Aber das Viertel ist durchaus auch liebenswert. Der Mann am Obststand an der Straße grüßt einen freundlich und ich komme auch mit Passanten vor dem Supermarkt ins Gespräch. Offen sind die Menschen. Aber davon später mehr.
Die Geschichte dieses Edeka Marktes ist schon eine Besonderheit. Viele fußläufige Einkaufsmöglichkeiten gibt es am Harthof nicht. Wie gesagt, eine schon und diese sollte zugemacht werden. Tja und jetzt kommen Menschen ins Spiel, die einfach nicht wegschauen, die sich Gedanken machen um ihr Viertel, die Ideen haben. Verrückte Ideen. Und Frau Loibl ist eine davon. Sie spricht mit dem alten Supermarktinhaber, lernt Herrn Wieland kennen, der schon Erfahrung als Marktleiter hat, und beschließt mit einem Team den Supermarkt zu übernehmen.
Wahnsinn, ein Verein, der bis dato keine Ahnung hatte wie man einen Supermarkt führt, sieht aber darin eine tolle Möglichkeit, Jugendlichen Ausbildungen unter realen Bedingungen anzubieten. Sie übernehmen den alten Warenbestand des Supermarktes und dank Unterstützung von vielen Menschen, der Familie, Frau Hoffmann (die Ausbilderin) und Herrn Wieland (der Marktleiter) und nicht zu vergessen, die vielen Jugendlichen, die dort ihre Ausbildung machen, stellen sie etwas Großartiges auf die Beine.
Die Jugendlichen (ca. 20 zur Zeit), die dort die Möglichkeit haben, eine Berufsausbildung als Verkäufer oder Lagerist zu machen, sind auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln. Die Gründe sind vielseitig. Die Jugendlichen haben Schicksale hinter sich und bekommen dort eine Chance, eine Ausbildung zu machen. Das klingt jetzt nicht so besonders – ist es aber. Denn viele dieser Jugendlichen haben eine Vergangenheit, die viele Ausbildungsbetriebe abschreckt – näher will ich hier gar nicht darauf eingehen.
Und genau da kommt der Verein ins Spiel. Diese Jugendlichen bekommen zusätzlich zur Ausbildung noch ergänzende Lernhilfen, ein Team kümmert sich um sie. Zusätzlich zu den Aufgaben, die sie im Supermarkt erledigen, stehen ihnen weitere Hilfemaßnahmen zur Verfügung. Was jetzt für viele von uns selbstverständlich ist, wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortung zu übernehmen, ist für einige dieser Jugendlichen nicht immer einfach. Schritt für Schritt und mit einem tollen Team werden sie durch die Ausbildung begleitet. Ziele werden gesteckt und erreicht – und was das Allertollste ist, alle Jugendlichen haben bisher ihre Ausbildung bestanden!
Ich habe mich lange mit Frau Hoffmann (der Ausbilderin) und Herrn Wieland (dem Marktleiter) unterhalten und auch mit einem Auszubildenden. Es ist bestimmt kein einfacher Job, einige Dinge und Aufgaben sind für die Jugendlichen nicht so einfach, da ist Geduld gefragt und viele Gespräche, aber auch Zielvorgaben werden gemacht und überprüft und die Jugendlichen müssen lernen, auch Verantwortung zu übernehmen. Zusätzlich zum normalen Marktbetrieb kümmern sich Frau Hoffman und Herr Wieland um vieles mehr. Ich habe sie gefragt, warum sie das machen … und ihre Antwort: weil das feine Jugendliche sind, die ihre Chance verdient haben und weil es eine schöne Arbeit ist . Schließlich auch zu sehen, dass die ehemaligen Auszubildenden jetzt für sich selbst sorgen können, dass sie eine Zukunft haben, auch auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt. Einige ehemalige Azubis kommen immer mal wieder vorbei. Das motiviert.
Ich war beeindruckt von diesen Menschen sowohl im Verein als auch im Supermarkt. Das sind manchmal keine leichten Voraussetzungen und trotzdem lassen sie sich nicht von Vorurteilen oder einer Vergangenheit beeinflussen, sondern nehmen diese Jugendlichen an die Hand. Wow!
Auf meine Rückfrage bei den Auszubildenden wie ihre Ausbildung läuft, antworteten sie mit: schon ok. Sie träumen vielleicht auch von anderen Jobs, aber sind doch froh, das jetzt durchzuziehen. Zukunftspläne nach der Ausbildung haben sie auf jeden Fall. Davor wäre alles nicht so gut gelaufen. Da ging vieles schief. Jetzt wissen sie, dass sie es packen können.
Fand ich schon mal ne gute Aussage. Sie waren sehr ehrlich zu mir und ihre Lebensläufe sind nicht gerade ideal, aber wie man sieht, wenn man ihnen eine Chance gibt, sich zu beweisen, wenn man noch ein bisschen Hilfe dazu bekommt, dann haben sie am Ende eine Ausbildung und das ist doch schon mal ein großer Schritt, um sich in unserer Gesellschaft zu behaupten.
Ich war echt beeindruckt, von allen Menschen die mir an diesem Tag über den Weg gelaufen sind, sei es die Menschen im Verein als auch die Jugendlichen im Supermarkt und insbesondere auch Frau Hoffman und Herr Wieland und auch einige Anwohner aus dem Viertel, mit denen ich kurz sprechen konnte.
Meine Bewunderung für diese Menschen kann ich hier gar nicht richtig rüber bringen. Menschen, die mit viel Professionalität, Engagement, Idealismus und Herz sich für Dinge einsetzten und das weit über das normale Maß hinaus. Chapeaux.
Emma Melzer
Emma Melzer schreibt seit 2009 auf Frühstück bei Emma über Kreatives, Reisen mit ihren drei Kindern und über Alltagsgeschichten.
Während ihrer kaufmännischer Ausbildung und während des Studiums des Wirtschaftsingenieurwesen hat sie einige Jahre in der Automobilindustrie gearbeitet. Später dann im Finanzbereich und in der Vorstandsassistenz eines Medienunternehmens.
Mittlerweile hat sie das „große Glück von zu Hause aus arbeiten zu können“. Seit 2012 ist sie auch selbständig mit ihrem Label. Soziales Engagement wurde Emma Melzer schon von ihren Eltern vorgelebt und auch sie engagiert sich gerne ehrenamtlich. Sei es jahrelang als Vorstand in einer Eltern-Kind Initiative wie auch mittlerweile auf der Waldorfschule, die ihre Kinder besuchen, als Mitglied im Finanzkreis.
Nachhaltigkeit, Soziales Gewissen, Chancengleichheit, Bildung das sind die Themen für die sie im Leben 1.0 brennt.
Fotos: Copyright Emma Melzer
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