20 Jahre Saatgutfonds: Zukunftskeime unterstützen

zucchinisamen_saatguttagung_800x476Jubiläumstagung in Kassel

Rück- und Ausblicke von Laura Krautkrämer, freie Journalistin und Redakteurin des Monatsmagazins Info3

20Jahre_Saatgutfonds_Torte_400x249Zu seiner traditionellen Januar-Tagung hatte auch in diesem Jahr der Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft in der GLS Treuhand eingeladen. Diesmal stand jedoch keine fachliche Fragestellung im Vordergrund, sondern ein Jubiläum: 1996 gegründet, blickt der Saatgutfonds heute auf eine 20-jährige Geschichte zurück. Rund hundert Züchterinnen, Landwirte, Spenderinnen und Verbraucher kamen in Kassel zusammen, um auf das bisher Geleistete zu schauen und nach künftigen Herausforderungen zu fragen.

 

Oliver Willing, Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, begrüßte und würdigte zu Beginn die beiden Gründungsväter des Saatgutfonds, Albert Fink und Dirk Lücke, dank deren Voraussicht und Engagement seit so vielen Jahren ökologische Züchtungsinitiativen unterstützt werden können.

v.l.n.r. Oliver Willing, Albert Fink, Dirk Lücke
v.l.n.r. Oliver Willing, Albert Fink, Dirk Lücke

Fink, Mit-Gründer der GLS Bank und langjähriges Vorstandsmitglied der GLS Treuhand, erinnerte sich an die Erfahrungen, die zur Gründung des Fonds geführt haben: „Wir hatten im Umfeld der GLS Bank und der Treuhand viele Kontakte zur Landwirtschaft und haben wahrgenommen, unter welchen kargen Bedingungen die bereits bestehenden Züchtungsinitiativen arbeiteten.“ Der Fonds startete 1996 mit 140.000 DM, durch zunehmende jährliche Spenden hat er 2015 ein Volumen von über 1,15 Millionen Euro erreicht. Nicht nur dieser Zuwachs ist beachtlich, sondern auch das Ergebnis der langjährigen Förderungen: Über 70 vom Bundessortenamt anerkannte, samenfeste Neuzüchtungen von Gemüsesorten sind heute im Anbau, hinzu kommen knapp 40 Getreidesorten.

Staffelübergabe an die jüngere Generation

Die Pioniere der Bewegung waren biologisch-dynamische Züchterinnen und Züchter, die bereits in den 1970er Jahren erste Anstrengungen unternahmen, um dem drohenden Verlust der Sortenvielfalt entgegenzuwirken – damals vor allem motiviert durch das Aufkommen der nur bedingt nachbaufähigen Hybridsorten. In den 1990er Jahren bekam die Saatgut-Frage durch die sich ankündigende Gentechnik eine neue Dringlichkeit; nicht ohne Grund fällt in diese Zeit die Gründung des mit der GLS Treuhand freundschaftlich verbundenen Vereins Kultursaat und eben des Saatgutfonds. In einem Podiumsgespräch trafen mit Dieter Bauer, Züchter der ersten Stunde auf dem Dottenfelderhof bei Frankfurt/Main und Sebastian Vornhecke aus der Thüringer Gärtnerei Walsegarten zwei Züchter-Generationen aufeinander. Bauer ermunterte seine Nachfolger, sich für die weitere Verbreitung des Öko-Saatguts in Produktion und Handel einzusetzen: „Wir züchten ja neue Sorten, damit sie in die Welt kommen!“. Vornhecke hob die positive Wirkung der von Kultursaat initiierten Fortbildungen hervor, die sich als wirksames Instrument der Nachwuchsförderung erwiesen hätten. Beide Züchter betonten, wie motivierend der enge, geradezu familiäre Zusammenhalt innerhalb der Szene für ihre Arbeit sei. „Ich weiß, wenn ich Hilfe brauche, dann kann ich mich jederzeit an erfahrene Kollegen wenden“, so Vornhecke.

Was hat Saatgut mit mir zu tun?

Ein starkes Leitmotiv nahezu aller Vorträge, Podiumsgespräche und Arbeitsgruppen war die Frage, wie sich die Notwendigkeit der ökologischen Saatgutzüchtung nicht nur Produzenten und Handelspartnern, sonder auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern vermitteln lasse. Was hat Saatgut mit mir zu tun? Auf diese Frage wissen die meisten Menschen zunächst keine Antwort. Die enge Verknüpfung mit grundlegenden Fragen der Ernährungs-Gerechtigkeit und -Souveränität, dass überdies der ökologische Landbau mit den einseitig auf düngemittelintensiven Anbau zugeschnittenen konventionellen Sorten gar nicht arbeiten kann – solche Zusammenhänge sind nach wie vor wenig bekannt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, das wurde in Kassel deutlich, ist die gute Vernetzung zwischen den verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette. „Wie können wir diejenigen, die selbst nicht auf dem Feld stehen, für die Probleme der Züchter und Produzenten sensibilisieren?“, fragte etwa Lukas Nossol, Bereichsleiter des Biogroßhändlers Dennree. „Und wie schaffen wir umgekehrt bei diesen eine Betroffenheit für die Probleme im Regal, also im Handel?“ Dass die Ökozüchter Unterstützung brauchen, liegt auf der Hand. Ihre Arbeit steht im krassen Widerspruch zur heute weit verbreiteten „Alles schnell, alles billig“-Mentalität. Pflanzenzüchtung ist langwierig und teuer: Die Entwicklung einer einzigen Sorte dauert durchschnittlich zehn Jahre und kostet je nach Sorte zwischen 600.000 und einer Million Euro. Diese Investition soll sich rechnen, weshalb die großen Saatgutkonzerne möglichst wenige, möglichst global einsetzbare Sorten anstreben, die maximalen Profit versprechen. Ökologische Saatgutzüchtung dagegen begreift Saatgut als Kulturgut und setzt auf Vielfalt.

Zuchtgärten von der Ostsee bis zu den Alpen

zwiebeln_saatguttagung_hendrikrauchDas Ganze hat schon etwas von David gegen Goliath, und doch: Wenn man sich die verschiedenen ökologischen Zuchtinitiativen vor Augen führt – lauter kleine Experimentierfelder und Forschungsstuben, von der Ostsee bis zu den Alpen –, dann bilden diese Punkte ein zwar zartes, aber wirkungsvolles Netz von Zukunftskeimen. Es birgt eine Art trotziges Versprechen: sich nicht einschüchtern zu lassen von der eigentlich überwältigenden Übermacht der Großkonzerne, stattdessen beharrlich an den eigenen Vorstellungen von Qualität und Autonomie festzuhalten.

Dieses Netz braucht Unterstützung, die Arbeit des Saatgutfonds ist dafür seit 20 Jahren ein wichtiger Baustein. „Das Thema ist zwar inzwischen aus der Nische gekommen, aber es gibt weiterhin viel zu tun“, schloss Oliver Willing in Kasse. Um die ökologische Züchtungsforschung auszuweiten, sei auch in Zukunft massive Unterstützung durch Spendengelder nötig. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein für die Tragweite des Themas nicht nur im Handel, sondern auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern weiter zu schärfen.

 

Copyright Fotos: Zwiebeln, Saatgut – Hendrik Rauch; Willing, Fink, Lücke – Stephan Münnich; andere – ZS Landwirtschaft

  1. Werner Ries

    Ich vermisse den Satz, “das alles Gentecjfrei ist!”
    Oder ist das gar nicht so, weil es nicht dabei steht?
    Denn mit Gendreck wäre das so wertvoll wie MacDonalds Füllstoffe, die viele tatgtäglich in sich reinschaufeln. Was aber mit Nahrungsmitteln nicht viel zu tun hat.

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      Bettina Schmoll

      Hallo Werner,
      explizites Ziel des Saatgutfonds ist “die Förderung der gemeinnützigen, biologischen und biologisch-dynamischen Züchtungsforschung.” So steht es auch auf der Website des Fonds. Und weiter: “Wir engagieren uns für Fruchtbarkeit, Vielfalt und eine Saatgutforschung ohne Patente und Gentechnik.”
      Das soll hier nicht verschwiegen werden ;-)
      Viele Grüße
      Bettina Schmoll
      Online Team

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