„Es ist keine Schande, reich zu werden … aber reich zu sterben, durchaus“

Prof. Götz W. Werner gründete 1973 den dm-drogerie markt. Heute ist er Mitglied im Aufsichtsrat von dm und der GLS Bank, engagiert sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen und hat die dm-Werner-Stiftung gegründet. Ein Interview über Vermögen und Verantwortung … .


Die Finanzkrise hat die Stiftungslandschaft hart getroffen. Stiftungen haben teilweise Schwierigkeiten, ihren Stiftungszweck fortzuführen, da sie keine Spenden bekommen. Was sind Ihre Beweggründe vor dem Hintergrund dieser aktuellen Situation, die dm-Werner-Stiftung ins Leben zu rufen?

Werner: Mein Anliegen war und ist es, auf lange Sicht die bestmögliche Grundlage für dm-drogerie markt zu schaffen. Mir geht es darum, dass dm in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Mitarbeiter investiert und die Geschäftsführung nur so viel Überschuss anstrebt, wie das Unternehmen für seine wirtschaftliche Stabilität benötigt. Durch die Stiftungssatzung ist meine unternehmerische Intention sichergestellt, auch wenn ich zu einem späteren Zeitpunkt die Leitung der Stiftung an einen Stiftungsrat abgeben sollte.

Sie werden häufig gefragt, warum Sie Ihr gesamtes Vermögen in die Stiftung einbringen, anstatt es Ihrer Familie zu vererben.

Werner: Mit der Übertragung meiner Anteile auf die Stiftung habe ich zunächst einmal meine Kinder davor bewahrt, sich mit der Frage der Verfügung über die dm-Anteile beschäftigen zu müssen. Meine Beobachtung ist, dass eine solche Hinterlassenschaft selten eine gute Voraussetzung ist, den eigenen Lebensweg zu finden und zu bestreiten. Für mich war dm eine selbst gewählte Aufgabe, mit der ich wachsen konnte. Außerdem wäre es auch dem Unternehmen und den Mitarbeitern gegenüber verantwortungslos, wenn ich nicht Verhältnisse schaffen würde, die die Zukunft des Unternehmens begünstigen.

Wie ist Ihre Haltung gegenüber der „giving pledge“-Diskussion und sehen Sie in Deutschland vergleichbare Initiativen?

Werner: Dass diese Diskussion geführt wird, ist für mich ein Signal, dass hierzulande eine Initiative wie in den USA keine Chance hat. Diese Debatte ist ein Ausdruck für die herrschende Einstellung. In Deutschland müssen sich Reiche oft für ihr Vermögen rechtfertigen, umgekehrt ist es aber eine Schande, wenn man seinen Nachkommen nichts hinterlässt. Diese Einstellung konnte ich selbst beobachten: Als bekannt wurde, dass ich meine Unternehmensanteile auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen habe, berichteten viele Medien, ich hätte meine Kinder enterbt. In den USA sind Stifter Vorbilder, eine Auffassung, die eine solche Initiative überhaupt erst möglich macht. Dort ist es keine Schande, reich zu werden, aber reich zu sterben, durchaus.

Entscheidend ist doch, was jemand mit seinem Vermögen macht. Wenn ein Mensch sein Vermögen dafür einsetzt, Leistungen für andere zu generieren, sollte ihn die Gemeinschaft nicht unnötig belasten. Ein Unternehmer, der sein Vermögen in sein Unternehmen investiert, muss anders behandelt werden als jemand, der nur noch konsumiert und sich keine Gedanken macht, was er für die Gemeinschaft tun kann.

  1. Stirzel

    Gute Idee. Ein Vorbild wäre Werner jedoch, wenn er nicht nur Wohltat (also Hilfe per Stiftung an Hilflose auszuschütten), sondern Unternehmertum (also z.B. die Förderung von Jungunternehmern zu unterstützen, die ihrerseits mit der Hilfe zur Selbsthilfe sehr viel mehr Menschen in seinem Sinne unterstützen könnte) zu fördern. Die Idee eines Grundeinkommens für den unternehmenden Menschen ist revolutionär, ehrgeizig, aber auch ein Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit. Solange es das nicht gibt, sind Menschen, die nicht in den Fokus staatlicher Subventionen fallen, ungesehen ihrer Leistung(sbereitschaft) auf Mächtige angewiesen, die Chancengleichheit herstellen möchten.

  2. Es ist ausserdem sehr wichtig, dass die Profite unserer Unternehmen zu menschenachtenden Konditionen erwirtschaftet werden. Traurige Realität ist der gigantische Un-Fair-Trade Markt, der Ressourcen aus der dritten Welt zu Preisen kauft, die nur durch das Ungleichgewicht der
    Geldverhältnisse (z.B. zwischen Afrika und Europa) entstehen können. Solange unsere Unternehmer Kaffee, Schokolade, Aluminium und so vieles mehr von Leuten beziehen die aus Verzweiflung ihre Waren so billig anbieten müssen, kann von der Achtung der Menschenwürde nicht gesprochen werden.
    Ich denke diese Erkenntnisse einzugestehen und Lösungen zu schaffen wird uns alle (auch uns Unternehmer) wesentlich glücklicher machen.

    • Maurice

      Sehr geehrte Damen und Herren,
      mit größtem Interesse lass ich sowohl die Äußerungen von Herrn Prof. Götz W. Werner und den verehrten KomentatorInen. Leider muss ich im Folgenden viel Kritik äußern, lasse mich aber gerne von Ihnen eines besseren belehren. Ich habe großen Respekt für die Idee eines Grundeinkommens, aber ich sehe bisweilen einige Umstände, die diese Idee bedenklich machen könnten.
      Bitte lassen Sie mich im Folgenden erläutern, warum ich hier bisher anderer Meinung bin.

      Lieber John,
      die Problematik besteht aber nicht direkt an dem Einkauf von billigen Produkten bzw. billiger Ware, sondern viel eher beim Verkauf von Waren in Länder der Dritten Welt für einen Preis, von dem sie das erworbene nicht mal zu ihren schlechten Bedingungen selbst produzieren könnten. Und genau hier ist doch eine wichtige Frage zu stellen, ist es nicht auch wieder nur Subvention, wenn wir ein Grundeinkommen fordern und damit die Arbeitgeber entlasten? – Hier könnte eine Schädigung der Weltwirtschaften inhärent sein, es ist nicht zu begrüßen, wenn eine Firma, respektive ein Drogerie Markt, zu maßlos geringeren Preisen produzieren/arbeiten kann als ein Anderer, gerade auch dann wenn sie/er in einem anderen Land ansässig ist. Hierbei entsteht eine Verschiebung des Brutto/Netto-Einkommensverhältnisses, bzw. sogar ein geringerer Netto-Lohn und dafür aber hohe Verkaufskosten der Ware (Das ist natürlich relativ zu sehen, diese Verkaufskosten wäre nicht höher als vorher, aber der Lohnanteil beim Wertschöpfungsprozess wäre geringer). Die Problematik besteht darin, dass, wie sich auch jetzt wieder abzeichnet, es immer einen Trend zum Steuerdumping bei Unternehmen (insbesondere Großunternehmen) gibt und dieses zu einer breiten Verarmung der Bevölkerung führen würde, da nur mit Einsparungen bei den Steuern eine Wirtschaft in der Abwärtsspirale des kapitalistischen Preiskampfes zu retten ist. – Daraus folgen Einsparungen bei Versicherungsleitungen, Sozialzuschüssen und am Ende dem Grundeinkommen selbst. Dazu würde vermutlich eine Nichtwertschätzung der Arbeiter kommen, denn nur ein teurer Arbeiter ist ein Arbeiter, den ich auch vermisse, bzw. fortbilden würde.
      >>> Meine Meinung:
      Ich bin mir natürlich bewusst, dass hier auch ein anderes Menschenbild hinter der Argumentation steht, aber es erscheint mir doch falsch in der alten Logik zu verbleiben und dem Monetarismus weiter den roten Teppich aus zu rollen. Die Frage ist doch sicherlich gewesen; wie können Alle von Ihrem Gehalt gut leben?
      Ich denke aber die Frage sollte sich etwas mehr auf die inhärente Idee verfestigen. Nämlich, wie ist es möglich jedem seine Bedürfnisse zu erfüllen. Sicherlich ist das Grundeinkommen da eine gute Idee, unter vielen Falschen, aber ist sie, sofern nicht weltweit angewandt ein echter Fortschritt oder verschlimmert sie die Umstände in der dritten Welt noch weiter? – Hoer muss unbedingt darauf geachtet werden, dass man nicht mit dem Ansatz der FDP dacor geht und eine Stufenweise Kofinanzierung durch den Staat zu fordert um den absoluten Niedriglohnsektor zu fördern.

      Ich denke, dass das System der Umsatzsteuer nicht gegen eine Gewinnsteuer ersetzt werden sollte und deshalb muss ich auch hier leise Kritik anmerken, denn die Förderung von “guten” Unternehmen ist zwar richtig, aber sie ist auch spekulativ, da ein Unternehmen immer hin und her rechnen kann, bis es stimmt – z.B. Merzedes, die solange gerechnet haben, bis ihnen von der USA Geld gezahlt werden musste. Ich halte es für höchst problematisch, dass man mit dieser Art von Belohnungssystem arbeitet und glaube ernsthaft, dass sehr viel mehr erreicht werden könnte, wenn der Staat an dieser Stelle einfach konsequent besteuern würde und selbst für den Ausgleich sorgte. Natürlich muss ich mich aber hier meiner eigenen Kritik stellen, dass nämlich dieses Sytem der Umverteilung zu Lasten der Arbeiterlöhne gehen würde und damit eine Entmachtung der Menschen einschließt.

      >>>Fazit:
      Einfacher wäre ein System der Gleichheit, der Chancen durch eine Volksdemokratie zu stützen, da die direkte Macht nun, egal ob beschäftigt, organisiert oder eben nicht, direkt beim einzelnen Menschen liegt. Hier ist die Wahrscheinlichkeit für Lohndrückerei auch sehr viel geringer. Besonders gut würde sich das System des Bedingungslosen Grundeinkommens auch mit einer Zinseszins freien Wirtschaft funktionieren. Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens ist im großen und ganzen nicht schlecht, sollte aber meiner Meinung nach nur umgesetzt werden, wenn auch eine Mehrbeteiligung des Volkes damit einher geht.
      Ansonsten stimme ich ihnen Herr Prof. Götz W. Werner und den meisten US Bürgern zu, ‘es ist keine Schande Reich zu werden, reich zu Sterben hingegen schon’.
      Auch ihrem Ansatz gegen Konsum und für die Reinvestierung des Eigenkapitals ist zu zustimmen. – Als Bemerkung dazu; GG Art. 14 (2) “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.” – Das Deutsche Grundgesetz sieht das bereits vor.

      Ich freue mich einen so interessanten Beitrag gelesen zu haben und ich danke Allen, die auf meinen Beitrag antworten wollen, auch wenn er selbst eine Antwort darstellt.

      Mit freundlichem Gruß
      Maurice

  3. Und indirekt mit seiner Arbeit an der Alanus – Hochschule (www.alanus.de).

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