Weniger ist mehr – Gastbeitrag vom Wirtschaftsmagazin enorm

Immer mehr Unternehmen setzen auf Achtsamkeit. Sie wollen vor Burnout schützen und ihre Zukunft sichern. Kann das gelingen – oder soll das Instrument Mitarbeiter nur dazu bringen, mehr leisten zu können?

Kurzbeitrag

enorm_teaserWenn Alexander Rohde mal wieder eine besonders stressige Woche vor sich hat, setzt er sich morgens nach dem Frühstück ein paar Minuten in sein stilles Arbeitszimmer und konzentriert sich auf seinen Atem. Er folgt dem ruhigen Auf und Ab des Brustkorbs, fühlt die Luft, die durch den Körper strömt. Manchmal schweifen die Gedanken ab, eilen schon mal voraus ins Büro. Macht nichts. So oder so macht ihn die kurze Meditation ruhiger. Eine gute halbe Stunde später, wenn der 38-Jährige entspannt in seinem Bürosessel sitzt, trägt er in seinen Online-Status ein: „neun bis zehn Uhr – mindful working“. Eine Stunde lang will Rohde, Manager Service Integration bei Fujitsu TDS in Neckarsulm, nicht gestört werden. Rohde sagt: „Das Achtsamkeitstraining hat mir sehr geholfen, mich zu fokussieren.“

Achtsamkeitstraining? Für einen Manager? Als Cathrin Frey, Personalentwicklerin bei Fujitsu TDS, vor einem Jahr mit diesem Vorschlag auf Rohde zukam, hatte er gelacht: „Das war für mich Firlefanz, was Religiöses.“ Andererseits, warum sollte er es nicht mal ausprobieren? Schon lange wollte er etwas gegen den Stress in seinem Team unternehmen. In vielen Projekten wuchs die Komplexität des Alltags Mitarbeitern und Führungskräften über den Kopf. Sie stießen „zunehmend an Grenzen“, so Rohde. Acht Wochen lang besuchte er mit acht weiteren Kollegen von der Geschäftsleitung bis zum Sachbearbeiter das Training. „Heute ist Achtsamkeit mein Erfolgsrezept schlechthin.“

Hat man früher mal die ein oder andere Geschichte gelesen über Manager, die früh morgens auf ihrem Bänkchen sitzen, um in sich zu gehen, schreiben sich heute ganze Unternehmen „Achtsamkeit“ auf die Fahne. Google gilt hier als Vorreiter. Das US-amerikanische Unternehmen hat bereits 2007 zusammen mit Meditationsexperten das firmeninterne Programm „Search inside yourself“ ins Leben gerufen. Mehr als 1000 Mitarbeiter sollen das Programm bislang absolviert haben. Unternehmen wie KPMG, Apple und die Weltbank zogen nach.

Auch deutsche Automobilkonzerne, Versicherungen oder IT-Dienstleister holen sich mittlerweile Zen-Meister und Achtsamkeitstrainer ins Haus. Für Hans-Peter Unger, Psychiater und Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit der Asklepios Klinik Hamburg-Harburg, liegt auf der Hand, warum: „Sie haben ein ernstes Problem.“ Ihre Mitarbeiter kommen an ihre psychischen und körperlichen Leistungsgrenzen, da helfen auch keine Obstkörbe mehr oder Impulsvorträge über Widerstandsfähigkeit. Irgendwann sind nicht mehr nur die Mitarbeiter erschöpft, sondern das ganze Unternehmen. Hat Achtsamkeit das Zeug dazu, gegenzusteuern?

Geht es um Achtsamkeit landet man ziemlich schnell bei Jon Kabat-Zinn. Der Medizinprofessor an der University of Massachusetts suchte bereits in den 70er-Jahren eine geeignete Methode, damit seine Patienten, die vornehmlich an Krebs, Aids oder Migräne litten, besser mit Schmerzen, Ängsten und Stress umgehen können. Er entwickelte das Achtsamkeitsprogramm „Mindful Based Stress Reduction“, eine Art Bodyscan, bei der Teilnehmer gedanklich durch ihren Körper reisen. Nach acht Wochen waren die Patienten nicht schmerzfrei und natürlich auch nicht geheilt – aber glücklicher.

Stephan Schmidt, Psychologe und Achtsamkeitsforscher am Universitätsklinikum Freiburg, ist sich nicht sicher, was er von der neuen Euphorie um das Programm halten soll. Für ihn kommt es auf die Motivation an: Warum will ein Unternehmen seine Mitarbeiter durch ein solches Training schleusen? Geht es um eine innere Grundhaltung, die über das eigene wirtschaftliche Interesse hinausgeht? Bis zu einem gewissen Punkt, so Schmidt, lässt sich die Achtsamkeit funktionalisieren. Wenn jedoch das Unternehmen grundsätzlich an seiner Arbeitskultur nichts ändert, die Belastung weiter steigt, „ist der positive Effekt relativ schnell aufgefressen“.

Den vollständigen Bericht von Anja Dilk und Heike Littger findet Ihr in enorm Heft 06/2014.

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Fortsetzung

folgt in loser Reihe mit weiteren Gastbeiträgen aus den Zeitschriften “Wald”, “Werde”, info3 und “enorm”.

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