Serie Verbraucherschutz: Die Qualität der Transparenz ist entscheidend

GLS Vorstand Andreas Neukirch im Gespräch über ein Missverständnis beim Verbraucherschutz.

Neben „Information“ und „Aufklärung“ ist „Transparenz“ ein Schlüsselwort im Verbraucherschutz und nährt die Vorstellung, viel Transparenz sei gut für den Verbraucher. Wie stehen Sie dazu?

Andreas Neukirch: Transparenz über Wirkungs zusammenhänge und Eigenschaften von Dienstleistungen und Waren ist zunächst die Voraussetzung, um bewusste Entscheidungen treffen zu können. In diesem Sinne ist Transparenz das Gebot der Stunde für mündige Verbraucher und Bürger. Das heutige Verständnis von Transparenz ist aber sehr quantitativ geprägt: In der Regel gilt sie als erfüllt, wenn alle Informationen zu einem Sachverhalt vorliegen. Mit dem Anspruch der Vollständigkeit geht man jedoch einen Weg, der suggeriert, die weit fortgeschrittene Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft ließe sich so auf der Informationsebene aufheben. Das gute Gefühl, dass der Verbraucher in dieser arbeitsteiligen Welt über Dienste und Waren jederzeit verfügen kann, wird stark durch das schlechte Gefühl, dass man nicht weiß, wie diese Dinge zu Stande kommen, kompensiert. Trotz oder gerade wegen dieser Arbeitsteilung möchten wir möglichst viel darüber wissen, wie die Leistungen anderer für uns erbracht werden. Zu Ende gedacht ist das kaum realisierbar. Viel wichtiger wird es daher sein, die Qualität der Transparenz zu entwickeln.

 

Also ist der Blick auf die Beschaffenheit der Transparenz wichtig …

Ja genau. Und hinzu kommt, dass wir in verschiedenen Rollen und Lebenssituationen ganz unterschiedliche Vorstellungen von Transparenz haben. Starke Triebfeder für diese unterschiedlichen Vorstellungen ist die persönliche Betroffenheit. Wenn wir zum Beispiel auf bestimmte Stoffe allergisch reagieren, ist es ganz wesentlich, dass wir alle dazu erforderlichen Informationen erhalten. Ohne diesen Gesichtspunkt sind uns die Inhaltsstoffe unserer Nahrungsmittel meist völlig gleichgültig. Wenn wir als Wähler unsere Politiker in die Parlamente schicken, sind uns mögliche Interessenkonflikte dieser Politiker durch ihre bisherigen Tätigkeiten sehr wichtig. Ein Politiker mit ausgeprägter Berufsbiographie sieht die Offenlegung seiner bisherigen beruflichen Verbindungen möglicherweise ganz anders und sehr kritisch. Ein besonders prominentes Beispiel für unterschiedliche Einschätzungen von transparenter Politik ist Stuttgart 21. Es gibt zwar ein Anhörungsverfahren, das im öffentlichen Baugenehmigungsverfahren vorgesehen ist, das aber über die Jahre derart inhaltsleer und formal geworden ist, dass die Bürger eben nicht das Gefühl hatten, etwas erfahren zu haben.

 

Wie erleben Sie als Vorstand weitere Verbraucherschutzvorgaben im Bankbereich?

Ein von mir gerne zitiertes Beispiel über Transparenz im Bankgeschäft macht sich am Beispiel der Aufklärung über Wertpapiergeschäfte fest. Unabhängig vom Umfang und Risiko eines getätigten Wertpapiergeschäftes muss eine Erstinformation über zig Seiten an den Bankkunden ausgehändigt werden. Hierin ist, getreu dem Vollständigkeitsprinzip, alles Mögliche geschildert, was rund um die verschiedenen Wertpapierarten geschehen kann. Damit ist man weder treffsicher, im Sinne der Betroffenheit eines Wertpapierkäufers, noch wirklich aufklärend, weil dort zahlreiche Spezialbegriffe und Phänomene erklärt werden, die bei vielen Wertpapiergeschäften unserer Kunden gar nicht vorkommen. Dieses Medium, das also den Kunden aufklären soll, droht zum Gegenteil von Transparenz zu werden. Aus meiner Sicht erfordern solche Entwicklungen eine besondere Aufmerksamkeit. Sie sind ein Zeichen dafür, dass wir uns in einer Übergangssituation befinden. Diese ist dadurch geprägt, dass wir heute ein ständiges Mehr an Informationen für eine größere Transparenz halten, aber gleichzeitig Wege finden wollen, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Ohne Vertrauen zwischen Sender und Empfänger von Informationen werden wir in der Transparenz und dem Verbraucherschutz nicht besser werden können. Dieses Vertrauen zu rechtfertigen, ist ständige Aufgabe der Unternehmen und ihrer Führungskräfte.

 

Können Sie ein Beispiel für die Weiterentwicklung von Transparenz nennen?

Wenn Menschen sich beispielsweise für ein transparentes Bankgeschäft interessieren, suchen sie in einem ersten Schritt tatsächlich nach der Geldverwendung und fragen: Was verbirgt sich in dieser Black-Box Bank, was passiert mit meinem Geld? In der GLS Bank verbinden wir das mit dem Maßstab sozial ökologischer Wirkung der Kredite. Diese Maßstäblichkeit kann sehr individuell sein. Deshalb gilt es zu prüfen, für welche Entscheidungssituation welche Informationen die Wesentlichen sind. Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, dass eine Information an sich objektiv zutreffend und vollständig transparent ist, unabhängig vom Empfänger und der Entscheidungssituation. Es wird in Zukunft immer mehr darauf ankommen, gemeinsam mit den Kunden zu erarbeiten, in welcher Entscheidungssituation welche Anforderungen an Informationen gestellt werden. So entwickelt sich Vertrauen über die Angemessenheit und Wesentlichkeit von Transparenz.

 

Die GLS Bank zeichnet sich durch ihre transparente Mittelverwendung aus. Wie sieht es in anderen Bereichen aus?

Wir werden von unseren Kundinnen und Kunden zu Recht mit einer hohen Transparenzerwartung konfrontiert und bewegen uns auf einem anspruchsvollen Spielfeld. Hinsichtlich der Geldverwendung ist Transparenz unsere Kernkompetenz. Dabei können wir immer wieder feststellen, dass die Kreditnehmer mit ihren Aktivitäten im Sozialen und Ökologischen gerne den Geldanlegern berichten bzw. durch uns berichten lassen. Wir haben aber noch Verbesserungspotenzial bei der Transparenz unserer Leistungsprozesse. Bei den Kundenaufträgen hat sich im Zeitalter digitaler Prozesse in großen Unternehmen viel getan. Vorreiter sind hier Handelsunternehmen oder Paketzusteller. Dort kann inzwischen jeder Kunde nachverfolgen, an welchem Punkt sich sein Auftrag gerade befindet. Bei uns bezieht sich diese prozessuale Transparenz auf Kreditentscheidungsgründe und Verfahrenswege, beispielsweise bis eine bestimmte Dienstleistung wie eine Kontoeröffnung erfolgt ist. Die Transparenz unter diesem Gesichtspunkt ist im Wesentlichen eine Frage des Services, die dem Kunden hilft, in seinen eigenen Aktivitäten besser planen und die Leistung der Bank gut nutzen zu können. Hier sind wir noch nicht so gut, wie wir gerne sein würden und wie es viele Kunden erwarten. Deshalb setzen wir in den nächsten Jahren einen besonderen Schwerpunkt auf diese prozessuale, dem Service dienende Entwicklung von Transparenz.

 

Das Interview führte Katrin Schaefer, Chefredakteurin unseres Kundenmagazins “Bankspiegel”.

  1. Rechner

    Andere Banken könnten sich hieran ein Beispiel nehmen. Macht ihr auch Affiliate?

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