Gastbeitrag enorm: Ein Platz im Grünen

Berufe mit einem Nutzen für Gesellschaft und Umwelt boomen – auch in Branchen und Unternehmen, in denen man sie nicht vermutet. Welche Jobs es gibt und wie man sie findet.


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Wer mit Maximilian Lössl spricht, hört die Uhr ticken. Neun Milliarden Menschen werden voraussichtlich 2050 auf der Erde leben, die meisten in Megacities. Und noch immer gibt es keinen Masterplan, wie sie alle satt werden sollen, ohne die Erde vollständig zu ruinieren. „Die natürlichen Ressourcen sind heute schon mehr als ausgelastet“, sagt Lössl. „Wir brauchen neue Ideen.“ Eine davon ist Vertical Farming: Gewächshochhäuser, voll mit Technologie, in denen Obst und Gemüse mit viel weniger Wasser und Dünger fast dreimal so schnell gedeihen. Nicht Tausende Kilometer vom Verbraucher entfernt, sondern mitten in der Stadt. „Das hat Potential“, sagte sich Lössl, als er davon hörte. Er beschloss, sich nach seinem Studium – International Food and Agribusiness im niederländischen Den Bosch – ganz dem Vertical Farming zu widmen.

Knappe Ressourcen, Klimawandel, soziale Ungleichheit: Sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen, Lösungen zu erarbeiten, den eigenen Job mit etwas Sinnvollem zu füllen, ist gefragter denn je. Hunderte grüne Studiengänge sind in den vergangenen Jahren entstanden, sowohl auf Bachelor- als auch auf Masterlevel. Auch in Fächern wie Betriebswirtschaft oder Informatik wächst die Offenheit. „Umwelt und Nachhaltigkeit sind keine Exotenthemen mehr, bei denen die Studenten die Augen verdrehen“, sagt Klaus Fichter, Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Universität Oldenburg. „Mit gutem Gewissen arbeiten zu können, wird wichtiger.“

Auch der Markt für grüne Berufe boomt. Überall sind Menschen gefragt, die Nachhaltigkeit voranbringen. Ingenieure, die Erneuerbaren Energien zum Durchbruch verhelfen. Informatiker, die Gebäude energieeffizienter machen. Entsorgungsmanager, die Ideen für die Kreislaufwirtschaft entwickeln. Mathematiker, die tragfähige Konzepte für Ökobilanzen entwerfen.

Besonders viel tut sich in der Start-up-Szene. In Kooperation mit der Universität Oldenburg hat das Berliner Borderstep Institut 5000 grüne Start-ups und Jungunternehmen analysiert. Als grün definierten die Forscher alle Gründungen, die mit ihren Produkten, Technologien und Dienstleistungen zum Umweltschutz beitragen. Der „Green Economy Startup Monitor“ zeigt: Die zwischen den Jahren 2006 und 2013 gegründeten grünen Unternehmen haben bis heute mehr als eine Millionen neue grüne Jobs geschaffen.
Sicher, gründen ist nicht für jeden etwas. Eine Alternative: anpacken in Unternehmen. Keiner kann genau sagen, wie viele grüne Jobs es mittlerweile gibt. Es existiert keine vollständige Auflistung aller Branchen, in denen Nachhaltigkeit eine Rolle spielt. Eine der neuesten Zahlen kommt von Roland Berger. Die Unternehmensberatung spricht in ihrem Greentech-Atlas 2014 von eineinhalb Millionen Jobs in Deutschland. „Mittlerweile ist in nahezu allen Unternehmen angekommen, dass sie sich daran messen lassen müssen, wie nachhaltig sie sind“, sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Das Thema sei längst aus dem Marketing in die Chefetagen gewandert.
Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, sieht am meisten Bewegung bei den großen Marken, deren Strahlkraft davon abhängt, ob sie mit der Zeit gehen und die Trends der Zukunft auf dem Radar haben. McDonald’s ist für ihn so ein Beispiel. An der Theke würden zwar nach wie vor Hamburger und Cola gefordert, sagt er. Doch hinter den Kulissen passiere mehr als vermutet. Rezepte mit weniger Fett, Zucker, Salz und Fleisch, Aufbau lokaler Lieferketten – „an all diesen Schrauben wird im Moment gedreht“, sagt Schneidewind, „wenn auch nicht schnell genug.“ Hier mitzuwirken kann spannend sein. „Die Großen werden zwar nie die Pioniere sein, doch wenn sie einsteigen, ist der Hebel enorm.“

Gerade die Generation Y ist auf dem Sprung. Julian Müller-Schweife hat das erkannt und „schwimmt auf dieser Welle mit“, wie er sagt. Seit Anfang des Jahres baut er das Berliner Sozialunternehmen On Purpose auf. Es bietet ein einjähriges Leadership-Programm für Menschen an, „die aus der Privatwirtschaft in ökologisch und sozial nachhaltige Jobs wechseln wollen“.
Einen anderen Ansatz verfolgt Nils Dreyer. Der 37-Jährige führt das gemeinnützige Unternehmen Hilfswerft in Oldenburg und bietet gemeinsam mit Universitäten Social Intrapreneurship Camps an für Menschen, die sich, wie er, verändern wollen. Doch statt sie auf die andere Seite, etwa zu NGOs, zu schicken wie On Purpose, entwickelt er mit ihnen sozialunternehmerische Ideen, mit denen sie sich bei etablierten Unternehmen bewerben.

Egal, ob als Gründer oder bei einer der klassischen Organisationen im Umweltschutz, als Experte für Grünes in etablierten Unternehmen oder als Quereinsteiger – der Jobmarkt für nachhaltiges, sinnstiftendes Tun bietet viele Perspektiven.

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