Perspektiven für die Ressourcen der Zukunft

Chancen und Grenzen erneuerbarer Energien. Ein Expertengespräch mit Prof. Dr. Claudia Kemfert, Hans-Josef Fell, Thomas Jorberg, Ursula Sladek und Stephan Kohler.

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Warum bewerten andere Länder die Rolle der Kernenergie anders als in Deutschland? Häufig wird argumentiert, dass Atomenergie klimafreundlich und preiswert sei.

Prof. Dr. Claudia Kemfert: Die Produktion von Strom mit abgeschriebenen Atomkraftwerken ist preisgünstig, doch zuvor wurden hohe staatliche Subventionen gezahlt, die Gesellschaft trägt zudem die Risiken. Es gibt in keinem Land ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll. Jedoch entstehen im Vergleich zu Kohlekraftwerken kaum klimagefährliche Treibhausgase. Der wichtigste Grund für die Entscheidung vieler Länder für den Einsatz von Kernenergie ist die Unabhängigkeit von Energieimporten. Nach der ersten Ölpreiskrise haben sich Länder wie Japan, aber auch die USA und viele Länder in Europa zum Einsatz von Kernenergie entschlossen. Von den weltweit 440 Kernkraftwerken haben somit viele bereits die Altersgrenze überschritten und werden in den kommenden Jahren vom Netz gehen. Trotz Zubaus einiger Kraftwerke wird der heutige globale Anteil von 16 Prozent eher sinken. Kernenergie ist und bleibt eine Technik der Vergangenheit, nicht der Zukunft. Das war vor der Katastrophe so und wird auch nach der Katastrophe in Japan so sein. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien.

Sie haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, mit auf den Weg gebracht. Welche Bilanz ziehen Sie heute, nach über zehn Jahren, und wie schätzen Sie die weitere Entwicklung dieses Politikinstruments ein?

Hans-Josef Fell: Die unfassbare Katastrophe in Japan hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig die schnelle Umstellung der Energieversorgung auf 100 Prozent erneuerbare Energien ist. In Deutschland kommen bereits über 17 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Das macht uns unabhängiger von Energieimporten und stärkt die Versorgungssicherheit. Zu verdanken haben wir das in erster Linie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es schafft die Grundlage dafür, dass privates Kapital gewinnbringend in den Klimaschutz investiert wird. Die Wertschöpfung findet vor allem in Deutschland statt, so konnten hier bereits 350.000 Arbeitsplätze in dem Sektor geschaffen werden. Dennoch fordern die Atomkonzerne immer wieder die Abschaffung des EEG. Das ist kein Wunder, denn die Atommanager setzen weiterhin auf fossile und atomare Energien und wollen deshalb den Vormarsch der Erneuerbaren klein halten. Doch nach Japan ist es noch wichtiger geworden, den Kurs beizubehalten und die Umstellung auf ein System regenerativer Energien schnell und gezielt anzugehen. Das EEG ist und bleibt dafür essenziell.

Die „Vermaisung“ der Landschaft – also der Anbau von Mais und Raps – zur Erzeugung von Biogas wird kritisiert, weil landwirtschaftliche Flächen verloren gehen. Ist diese Nutzung nicht immer noch besser als Atomenergie?

Thomas Jorberg: In Einzelfällen mag die Nutzung von Flächen für diesen Anbau vertretbar sein. Generell ist die Erzeugung von Strom aus Biogas oder Benzin aus Biomasse aber keine Lösung – weder von der Energiebilanz her gesehen, noch unter Umweltgesichtspunkten und hinsichtlich des Flächenverbrauchs. Um Energie aus Biogas zu gewinnen, muss zunächst sehr viel Energie investiert werden – zum Beispiel für die Bodenbearbeitung, Düngung und Bekämpfung von „Schädlingen“. Der Anbau ist auch für die Umwelt fatal, denn durch die Monokulturen entstehen gefährliche Bodenerosionen. Vor allem aber werden die Flächen bei steigender Weltbevölkerung langfristig für den Anbau von Nahrungsmitteln gebraucht. Es ist immer wichtig, die Vor- und Nachteile der Energieerzeugung abzuwägen. In der Breite auf Biogas zu setzen, ist durch die sehr begrenzten Ressourcen eine Sackgasse. Aber durch eine deutlich verstärkte Nutzung von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft, kombiniert mit einer ebenso verstärkten Energieeffizienz und begleitet von dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung, Gas- und Dampfturbinenanlagen und neuen sowie erweiterten Speichertechniken, ist die Energiewende auch kurzfristig realistisch.

Viele Stromverträge zwischen Kommunen und den vier großen Energieversorgern laufen aus und die Rechte an den Strom- und Gasnetzen werden neu vergeben. Nehmen in Zukunft die kleinen Stromanbieter eine neue Rolle ein?

Ursula Sladek: Bei den Stromnetzen sind es bis 2015 rund 1.000 Stromkonzessionen, die auslaufen, bei den Gasnetzen ist es ebenfalls eine große Anzahl. Nach Fukushima zeigt sich, was nach Tschernobyl schon klar war: Wir brauchen fehlerfreundliche, dezentrale Einheiten. Das umschließt die Stromerzeugungstechnologien ebenso wie die Strukturen. Die regenerativen Energien, die als Alternative für Atom und Kohle konsequent ausgebaut werden müssen, sind dezentrale Energien. Je dezentraler, desto mehr begrenzen sie auch den notwendigen Netzausbau auf das wirklich Notwendige. Stadtwerke sind beim Umbau der Energiewirtschaft wichtige Partner, weil sie nahe beim Kunden und den lokalen Gegebenheiten sind. Immer mehr Kommunen denken darüber nach, ihre Stromversorgung wieder in die eigene Hand zu nehmen, da sie die zukünftige Energieversorgung als eine Gemeinschaftsaufgabe ansehen. Der Betrieb eines eigenen Stromnetzes sichert Gemeinden bei geeigneten Rahmenbedingungen überdies einen Gewinn zu – ein zusätzlicher Anreiz in Zeiten knapper Kassen. Schönau hat gezeigt, dass man sich auch gegen Hindernisse der Energieversorger durchsetzen kann: Zum Beispiel hielten überzogene Kaufpreisforderungen für das Stromnetz einer Überprüfung nicht stand.

Deutschlands Energiesystem steht auch angesichts der Ereignisse in Japan vor einem grundlegenden Wandel. Welche Rolle können die erneuerbaren Energien im Stromsystem der Zukunft spielen und was bedeutet ihr steigender Anteil für die Stromnetze?

Stephan Kohler: Die Nutzung regenerativer Energieträger für die Stromerzeugung wird in Zukunft immer wichtiger und ihr technisches Potenzial kennt praktisch keine Grenzen. Auch die Kostenentwicklung bei der regenerativen Stromproduktion macht gute Fortschritte. Was wir aber berücksichtigen müssen, sind die Systembedingungen, die für die Integration der erneuerbaren Energien dringend erforderlich sind. Biomasse zum Beispiel ist ein Energieträger, der sehr einfach ins System integriert werden kann. Sie ist lager- und speicherfähig, kann bedarfsgerecht Strom erzeugen und ist geografisch breit verfügbar. Bei Wind- und Sonnenenergie ist das anders. Beide fluktuieren stark und stehen oftmals auch nicht bedarfsgerecht zur Verfügung. Der Ausbau der Windenergie wird überdies an Land schwerpunktmäßig in Ost- und Norddeutschland und im Meer in der Nord- und Ostsee stattfinden. Deshalb muss der Strom in die Lastschwerpunkte im Süden und Westen Deutschlands transportiert werden. Für 40 Prozent regenerative Stromerzeugung bis 2020 brauchen wir 4.500 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen und dafür benötigen wir vor allem eines: Akzeptanz in der Bevölkerung. Denn ohne die nötige Infrastruktur werden wir die Energiewende nicht bewerkstelligen können.

Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin.

Hans-Josef Fell Mitglied des Bundestages, ist Sprecher für Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und Vizepräsident von EUROSOLAR. Zusammen mit anderen Parlamentariern hat er 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschrieben und politisch durchgesetzt.

Thomas Jorberg ist Vorstandssprecher der GLS Bank und Initiator der ersten Energiefonds. Die GLS Bank investierte von Anfang an in erneuerbare Energien und verfügt über umfangreiches Know-how bei deren Finanzierung.

Ursula Sladek ist Mitbegründerin und seit 2002 Geschäftsführerin der Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Die EWS beliefert ihre Stromkunden ausschließlich mit Strom aus regenerativen Energien und Kraft-Wärme-Kopplung.

Stephan Kohler ist seit Oktober 2000 Geschäftsführer und seit 2006 Vorsitzender der Geschäftsführung der von der Bundesregierung und der KfW Bankengruppe gegründeten Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena).

  1. Sperling, Manfred

    Zur sehr fragwürdigen Rolle der Deutschen Energie-Agentur und des Herrn Kohler zu den Möglichkeiten des Energie-Umstiegs siehe www:Wikipedia/Deutsche Energie-Agentur. Diese vertritt in erster Linie die Interessen der Großkonzerne und ist an dezentralem Netzausbau nicht im geringsten interessiert.

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